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Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) musste am Mittwoch im Bundestag Fragen zur Fördergeld-Affäre beantworten.

Fördergeld-Affäre : Bildungsministerin Stark-Watzinger weiter unter Druck

In der Fördergeld-Affäre musste sich die Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) im Bundestag erklären. Die Opposition zeigte sich mit den Antworten unzufrieden.

28.06.2024
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4 Min

In der Fördergeld-Affäre steht Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) weiter unter Druck. Nach Auftritten im Bildungsausschuss und in der Regierungsbefragung am Mittwoch zeigten sich insbesondere Abgeordnete der Opposition mit den Antworten der Ministerin nicht zufrieden. Doch auch aus den Reihen der Koalition wurde vor einem "Vertrauensschaden" in der Wissenschaft gewarnt.

Die Fördergeld-Affäre berührt nichts Geringeres als die Wissenschaftsfreiheit. Im Raum steht die Frage, ob das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) prüfen wollte, ob kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Forschungsgelder entzogen werden könnten. Außerdem geht es um die Frage, was Ministerin Stark-Watzinger von einer solchen förderrechtlichen Prüfung - und weiteren Prüfaufträgen - wusste. Als Konsequenz aus der Affäre hatte die Ministerin bereits ihre Staatsministerin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen - ein Bauernopfer, vermuten Stimmen aus Politik und Forschung.

Forschende fordern Rücktritt der Bundesbildungsministerin

Auslöser der Affäre war ein offener Brief vom 8. Mai, in dem sich hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das Recht auf friedlichen Protest an Hochschulen ausgesprochen hatten, nachdem die Polizei ein propalästinensisches Protestcamp an der Freien Universität in Berlin geräumt hatte. Stark-Watzinger hatte den Brief seinerzeit scharf kritisiert, weil das Schreiben ihrer Ansicht nach den Terror der Hamas ausblende.


„Die avisierte Rücknahme von Förderbescheiden widerspricht allen Prinzipien der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit.“
Offener Brief von 3.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

Am 11. Juni enthüllte dann eine Recherche des NDR-Magazins Panorama einen internen E-Mailverkehr des BMBF, aus dem hervorgeht, dass das Ministerium prüfen wollte, wer von den Unterzeichnenden vom Ministerium finanziell gefördert wird, um möglicherweise Fördermittel zu streichen.

Daraufhin forderten über 3.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem weiteren offenen Brief den Rücktritt Stark-Watzingers. Sie kritisieren: "Die avisierte Rücknahme von Förderbescheiden widerspricht allen Prinzipien der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit".

Ministerin Stark-Watzinger liefert im Bundestag kaum neue Erkenntnisse

Im Ausschuss und während der Regierungsbefragung lieferte die Ministerin kaum neue Erkenntnisse, vielmehr wiederholte sie Aussagen, die sie bereits zuvor in Pressekonferenzen und Statements getätigt hatte. So erklärte Stark-Watzinger erneut, dass sie von einem möglichen förderrechtliche Prüfauftrag erst durch die Medien erfahren habe. Sie habe eine förderrechtliche Prüfung "nicht erteilt und auch nicht gewollt", da dies den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit widerspreche. Diese sei ein hohes Gut der Demokratie und müsse verteidigt werden.

Wie die Ministerin im Ausschuss darlegte, habe die Staatssekretärin Döring am 13. Mai die juristische Prüfung der Aussagen des offenen Briefes telefonisch in Auftrag gegeben. Dieser Auftrag könnte von Mitarbeitenden des BMBF fälschlicherweise auch als Aufforderung zu einer förderrechtlichen Prüfung verstanden worden sein, erläuterte Stark-Watzinger. Eine Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen sei aber von Döring nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht weiterverfolgt worden. Aufgrund der Vorgänge sei Stark-Watzinger zu der Überzeugung gelangt, "dass die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit mit Frau Professor Döring nicht mehr gegeben ist".


Ali Al-Dailami im Portrait
Foto: Ali Al-Dailami/Rico Prauss
„Was muss noch passieren, dass Sie zurücktreten?“
Ali Al-Dailami (BSW)

Neben dem förderrechtlichen Prüfauftrag hatte es einen zweiten Auftrag gegeben, von dem die Ministerin tatsächlich wusste. Dabei sei es um die "rechtliche Einordnung" des offenen Briefes gegangen. Am Ende hat die Prüfung laut Ministerin ergeben, dass der Inhalt von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. An ihrer Kritik an dem Brief hielt die Ministerin fest. Forderungen des offenen Briefes, pauschal Polizeieinsätze oder Strafen abzulehnen, seien "mindestens kritikwürdig", so die Ministerin.

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Allerdings gab es noch einen dritten Prüfauftrag. Aus Dokumenten, die von der Transparenzplattform "Frag den Staat" veröffentlicht wurden, geht hervor, dass es bereits am 10. Mai einen ersten Prüfauftrag im BMBF gegeben hatte. In diesem hatten sich ein Abteilungsleiter und das Pressereferat danach erkundigt, welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des offenen Briefes Fördergelder erhalten. Eine entsprechende Liste wurde erstellt, die laut Stark-Watzinger jedoch nur zur Vorbereitung auf mögliche Nachfragen der Presse dienen sollte und ihr selbst nicht vorgelegt worden sei. Es habe sich um "einen komplett separaten Vorgang" auf der Fachebene gehandelt, betonte die Ministerin.

Unions-Abgeordneter zweifelt Aussagen der Ministerin an

Die Antworten der Ministerin reichten vielen Abgeordneten nicht aus. Der bildungspolitische Sprecher der Union, Thomas Jarzombek (CDU), zweifelte die Darstellungen der Ministerin an und warf ihr vor, seine Fragen im Ausschuss bewusst nicht zu beantworten. Die Ministerin verweigerte beispielsweise auch nach mehrmaligem Nachfragen des Abgeordneten die Auskunft darüber, wer die Liste mit den Namen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Auftrag gegeben habe. "Es geht um den Schutz von Mitarbeitenden, die jetzt unter Feuer stehen", argumentierte sie.

Auch Nicole Gohlke (Die Linke) nannte es unwahrscheinlich, dass die Ministerin nur von einem der drei Prüfaufträge wusste. "Es ist unglaubwürdig, dass alle möglichen Mitarbeiter Prüfaufträge zeitgleich aufgegeben haben und Sie davon nichts gewusst haben", so Gohlke. Abgeordnete der Ampelfraktion wie Oliver Kaczmarek (SPD) und Anja Reinalter (Grüne) kritisierten den entstandenen "Vertrauensschaden".

Persönliche Konsequenzen interessierte Ali Al-Dailami (BSW): "Was muss noch passieren, dass Sie zurücktreten". Die Ministerin antwortete auf die entsprechende Frage im Ausschuss: "Ich sehe dazu keine Veranlassung".