Blick in die Statistik : Der Bundestag wird größer, jünger und vielfältiger
Im 20. Deutschen Bundestag gibt es große Unterschiede zwischen den Fraktionen beim Frauenanteil. Die Zahl der Abgeordneten mit Migrationshintergrund ist gestiegen.
Den befürchteten ganz großen Aufwuchs hat es nicht gegeben: Mit 736 Abgeordneten hat der neue gewählte Bundestag dennoch 27 mehr als 2017 - ein erneuter Rekord. Eigentlich liegt das Soll bei 598 Sitzen. Der neue Bundestag ist nicht nur größer als sein Vorgänger, sondern auch jünger und weiblicher, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt. Während sich - laut amtlichen Endergebnis - 456 Abgeordnete über ihre Wiederwahl freuen konnten, ziehen 116 Frauen und 164 Männer erstmals ins Parlament ein (38 Prozent der Abgeordneten). Auf die Fraktionen heruntergebrochen gibt es bei der SPD 104 neue Gesichter (49 Prozent der Fraktion), bei den Grünen treten 66 Männer und Frauen ihre erste Wahlperiode an (56 Prozent der Fraktion). Bei der AfD sind es 24 Neulinge (30 Prozent), bei der FDP 28 (27 Prozent), bei der Union 49 (25 Prozent) und bei der Linken acht (21 Prozent).
Anteil der Frauen im Bundestag nimmt zu
Verändert hat sich der Frauenanteil: Er liegt nun bei 34,8 Prozent, vier Prozentpunkte höher als 2017. Damit wird der zweithöchste Wert der Geschichte des Bundestages erreicht. Höher lag der Frauenanteil nur nach der Wahl 2013 mit 36,5 Prozent. Es zeigen sich indes gravierende Unterschiede zwischen den Fraktionen: Bündnis 90/Die Grünen hat mit 59,3 Prozent (2017: 58,2 Prozent), gefolgt von Die Linke mit 53,8 Prozent (2017: 53,6 Prozent), den höchsten Frauenanteil. Mit einem Frauenanteil von 41,8 Prozent (2017: 41,8 Prozent) folgt mit einigem Abstand die SPD-Fraktion. CDU/CSU und FDP liegen mit einer Frauenquote von 23,5 Prozent (2017: 19,9 Prozent) beziehungsweise 23,4 Prozent (2017: 22,5 Prozent) im Mittelfeld. Den geringsten Frauenanteil mit insgesamt elf Frauen hat mit 13,3 Prozent die AfD (2017: 10,8 Prozent). Unter den gewählten Frauen sind mit Nyke Slawik und Tessa Ganserer, beide von Bündnis 90/Die Grünen, die ersten offen lebenden Trans-Frauen im Deutschen Bundestag.
Ein Blick in den Plenarsaal des Bundestages: Hier werden bald 735 Abgeordnete Platz finden müssen. Darunter sind 281 Parlaments-Neulinge.
Im europaweiten Vergleich liegt die Bundesrepublik damit im Mittelfeld. Spitzenreiter sind laut Daten aus den Gleichstellungsstatistiken des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen Schweden (49,6 Prozent), Finnland (46 Prozent) und Belgien (43,3 Prozent). Schlusslichter sind Ungarn (12,6 Prozent), Malta (13,4 Prozent) und Rumänien (20 Prozent). Das Europarlament liegt bei 40,4 Prozent. Im Britischen Unterhaus liegt der Frauenanteil bei 34 Prozent, im US-Kongress bei 27,2 Prozent. Den höchsten Frauenanteil weltweit verzeichnet laut Angaben der Interparlamentarischen Union das Parlament in Ruanda mit 61,3 Prozent.
Der Bundestag wird jünger
Der Bundestag ist in seiner Gesamtheit jünger geworden - ganz im Gegensatz zur Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Das Durchschnittsalter aller Abgeordneten beträgt - auf dem vorläufigen Wahlergebnis berechnet - 47,3 Jahre. Nach der Wahl 2017 lag es bei 49,4 Jahren. Der niedrigste Wert wurde 1972 mit 46,6 Jahren verzeichnet, der höchste 1961 mit 52,3 Jahren.
Bei den Frauen liegt das Durchschnittsalter in der neuen Wahlperiode bei 45,5, bei den Männern bei 48,2 Jahren. Am jüngsten sind die Abgeordneten der Grünen mit einem Altersschnitt von 42,4 Jahren. Im Schnitt am ältesten sind die AfD-Abgeordneten mit 51 Jahren. Passend dazu ist der älteste Abgeordnete der ehemalige AfD-Fraktionschef Alexander Gauland mit 80 Jahren, während das "Küken" des Bundestages, die 23-jährige Emilia Johanna Fester, der Grünen-Fraktion angehört. Bei der Linken liegt der Altersschnitt bei 50,4, bei der Union bei 49,5, bei der FDP bei 47,8 und bei der SPD bei 46,4 Jahren.
Zahlenmäßig ist die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen mit 31,8 Prozent die, die im 20. Bundestag am stärksten vertreten ist, gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen (28 Prozent) und den 30- bis 39-Jährigen (19,5 Prozent). Auch die 60 bis 69-Jährigen sind noch mit einem zweistelligen Anteil von 12,5 Prozent vertreten, während die Altersgruppe der unter 30-Jährigen nur noch 6,8 Prozent und die über 70 Jährigen gerade einmal noch 1,4 Prozent ausmachen.
Unter letzteren findet sich mit seinen 79 Jahren auch der dienstälteste Abgeordnete, Wolfgang Schäuble (CDU), der sein Amt als Bundestagspräsident nach der Wahlschlappe der Union nicht mehr weiterführen können dürfte, aber dafür das des Alterspräsidenten innehat. Als dieser wird er die konstituierende Sitzung am 26. Oktober eröffnen.
Doktoren sind im Parlament überrepräsentiert
Auch im 20. Bundestag sind die Berufsgruppen sehr unterschiedlich dimensioniert. Der Großteil der Abgeordneten kommt aus dem Bereich Unternehmensorganisation, Recht, Verwaltung (532 von 735). Mit zahlenmäßig weitaus weniger Abgeordneten folgen die Berufsgruppen Sprache, Literatur, Gesellschaft, Wirtschaft, Medien, Kultur (64 von 735) und Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung (59 von 735). Mit je 19 und 16 Abgeordneten sind Naturwissenschaftler, Geografen und Informatiker und Menschen aus dem Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung vertreten. Mit zehn Abgeordneten ist der Bereich Kaufmännische Dienstleistungen, Vertrieb, Tourismus der letzte zweistellige, vor den mit je sieben sehr rar vertretenen Land-, Forst- und Tierwirtschaftlern, aus Bau, Architektur, Gebäudetechnik und aus Verkehr, Logistik, Schutz, Sicherheit stammenden. Es sind zudem neun Schüler, Auszubildende und Studierende vertreten und vier Rentner und Pensionäre. Ein Parlamentsmitglied machte keine Tätigkeitsangabe. Rund 15 Prozent der Parlamentarier haben einen Doktortitel, weitaus mehr als das eine Prozent in der Gesamtbevölkerung.
Zahl der Abgeordneten mit Migrationshintergrund ist gestiegen
Erneut gestiegen ist nach Angaben des Mediendienstes Integration zudem die Anzahl der Abgeordneten mit Migrationshintergrund. Lag ihr Anteil im 19. Bundestag noch bei 8,2 Prozent, bringt das 20. Parlament es auf etwa 11,3 Prozent. Zum Vergleich: Gesamtgesellschaftlich liegt der prozentuale Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei rund 26 Prozent. Den größten Anteil an Parlamentariern mit Einwanderungsgeschichte hat Die Linke mit 28,8 Prozent, ein Anstieg von zehn Prozent im Vergleich zur letzten Wahlperiode (18,8 Prozent). Bunter aufgestellt im Vergleich zur letzten Wahlperiode ist auch die SPD-Fraktion mit 17 Prozent Abgeordneten mit Migrationshintergrund (2017: 9,8 Prozent). Hinter Bündnis 90/ Die Grünen, die einen Anteil von Parlamentariern mit Einwanderungsgeschichte von 14,4 Prozent haben, folgen die AfD mit 7,2 Prozent und die FDP mit 5,4 Prozent. Die Union ist mit einem Anteil von 4,1 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund den geringsten Anteil.
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