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Sechs Fraktionen im 20. Bundestag : Warum Fraktionen die Stützpfeiler im Parlament sind

Für die Arbeit der Parteien im Bundestag und das Erreichen ihrer politischen Ziele sind sie unerlässlich: die Fraktionen. Einzelkämpfer hingegen haben es schwer.

18.10.2021
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5 Min

Nach der Wahl ist vor der Wahl - erst Recht im Deutschen Bundestag. Während die Parteien noch über die Konsequenzen des Urnengangs am 26. September debattieren und mit möglichen Koalitionspartnern sondieren, haben die Fraktionen schon Tage vor der Konstituierung des 20. Bundestages mit der Arbeit begonnen und ihr Spitzenpersonal aufgestellt: die Fraktionschefs und -chefinnen und Parlamentarischen Geschäftsführer. Viele haben dabei auf Kontinuität gesetzt, wobei Personaldiskussionen damit nicht vom Tisch sind.

Foto: picture-allianc/dpa/Kay Nietfeld

Ein Blick auf die Fraktionsebene im Reichstagsgebäude: Hier haben die Fraktionen ihre Versammlungssäle und Vorstandsbüros. Die Presselobby können sie für große Empfänge nutzen.

So hat die CDU/CSU-Fraktion die Amtszeit ihres Fraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) zunächst auf ein halbes Jahr begrenzt, um potenzielle Gegenkandidaten wie Jens Spahn, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen von der Kandidatur abzuhalten. Im April 2022, wenn die Koalitionsverhandlungen gelaufen sind, werden die Karten für den begehrten Posten dann neu gemischt - im Falle einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP kommt der Figur des Oppositionsführers eine zentrale Rolle im Bundestag zu.

Bündnis 90/Die Grünen wollen ihren neuen Fraktionsvorstand erst in den kommenden Wochen wählen. Ein nicht unübliches Verfahren bei Parteien, die Teil der Regierungskoalition werden könnten. Schließlich sind Personalrochaden im Zuge der Kabinettsbildung wahrscheinlich.

Fraktionen helfen neuen Abgeordneten beim parlamentarischen Einstieg

Bis es soweit ist, haben die bisherigen Fraktionsverwaltungen aber noch eine Menge zu tun. Zuallererst müssen sie die Abgeordneten, darunter viele Neuzugänge, die unerfahren sind im parlamentarischen Betrieb, "schnellstmöglich arbeitsfähig machen", wie Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) der FDP-Fraktion, betont. Räume müssen organisiert und die Wünsche der Abgeordneten eingeholt werden, in welchen Arbeitskreisen und Ausschüssen sie gerne arbeiten würden. "Die Fraktion bietet darüber hinaus neuen Abgeordneten und deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Informationsveranstaltungen und Einstiegsunterstützung als Vorbereitung auf die jetzt beginnende Wahlperiode an", berichtet Britta Haßelmann, Erste PGF der Grünen.

Wie schon in der vergangenen Wahlperiode werden sechs Fraktionen im Parlament vertreten sein. Dass sich die Mitglieder des Bundestages überhaupt zu Fraktionen zusammenschließen können, regelt Paragraf 45 des Abgeordnetengesetzes, die Details stehen in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Danach kann sich eine Fraktion erst bilden, wenn sie mindestens fünf Prozent der Bundestagsmitglieder in sich vereint.


„Als parlamentarischer Geschäftsführer sorge ich dafür, dass unsere Aktivität im Parlament funktioniert.“
Marco Buschmann (FDP)

Für die Linksfraktion, die im 20. Bundestag nur noch 39 Abgeordnete zählt, könnte das zum Problem werden. Kehren ihr zwei Abgeordnete den Rücken, können sich die verbleibenden 37 Abgeordneten nur noch als Gruppe zusammenschließen, sofern der Bundestag dem zustimmt. Allerdings räumt die Geschäftsordnung einer Gruppe nicht die gleichen Rechte ein wie einer Fraktion. Der Bundestag hat sie in den vergangenen Wahlperioden immer für den jeweiligen Einzelfall konkretisiert.

Um eine Fraktion zu bilden, müssen die Abgeordneten derselben Partei angehören beziehungsweise Parteien, "die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander in Wettbewerb stehen". Letzteres erlaubt es CDU und CSU, als Fraktionsgemeinschaft aufzutreten.

Mit dem Fraktionsstatus kommen Rechte und Pflichten

Mit dem Fraktionsstatus geht eine Vielzahl an Rechten einher: Fraktionen steht eine Grundredezeit und eine bestimmte Finanzausstattung zu. Sie können Gesetzentwürfe und Anträge einbringen, Mitglieder für die Ausschüsse und den Ältestenrat benennen und mindestens einen Vizepräsidenten stellen. Von ihrer Stärke hängt ab, wie viele Vertreter sie in die Gremien schicken können und wie viele Ausschüsse sie leiten dürfen.

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Obwohl die Fraktionen im Grundgesetz gar nicht erwähnt werden - dort ist in Artikel 21 allein die Rede vom Auftrag der Parteien, bei der politischen Willensbildung mitzuwirken - gelten sie heute als zentrale Akteure in den Parlamenten, quasi als Kitt zwischen Partei und Volksvertretung. "Die Fraktionen bündeln Interessen", sagt Marco Buschmann klar. "Das erlaubt Spezialisierung und Arbeitsteilung mit entsprechenden Lernkurveneffekten und verbessert die Qualität der parlamentarischen Arbeit." Auch für die einzelnen Abgeordneten ist das von Vorteil. "Als Abgeordneter kann man seine politischen Ziele nur erreichen, wenn man eine Fraktion hinter sich hat", sagt Buschmann. "Einzelkämpfer werden nicht erfolgreich politisch arbeiten können."

Dennoch gibt es solche Einzelkämpfer auch im neuen Bundestag. Mit Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) und Matthias Helferich, der wegen Äußerungen zur NS-Zeit auf seine Zugehörigkeit zur AfD-Fraktion verzichtet hat, sitzen bisher zwei fraktionslose Abgeordnete im Plenum. Sie dürfen zum Beispiel keine Gesetzesinitiativen starten oder Plenardebatten beantragen. In den Ausschüssen dürfen sie nicht abstimmen und auch ihr Rederecht im Plenum ist begrenzt.

Parlamentarische Geschäftsführer sind die "obersten Manager"

Die Fraktionen müssen sich in den kommenden Wochen weiter organisieren. Abgeordnete aus demselben Bundesland werden sich in Landesgruppen zusammenschließen, um die Belange ihrer Heimatregion besser in Berlin vertreten zu können. Sie werden Arbeitskreise und Arbeitsgruppen für die verschiedenen Themen bilden und Fraktionssprecher für die verschiedenen Politikfelder benennen.

Für die reibungslosen Abläufe sind die Parlamentarischen Geschäftsführer verantwortlich, von denen die Fraktionen mehrere haben. Als deren oberste Manager sind sie zuständig für finanzielle, juristische und Personalangelegenheiten und die Präsenz "ihrer" Abgeordneten im Plenum. Zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden leisten sie intern Überzeugungsarbeit bei strittigen Abstimmungen. Außerdem geht es laut Haßelmann darum, die Interessen der eigenen Fraktion gegenüber anderen zu vertreten und dafür zu sorgen, "dass unsere politischen Themen parlamentarisch gesetzt werden". Für all das, erklärt FDP-Kollege Buschmann, brauche es vor allem "Verhandlungsgeschick, Geduld und manchmal auch ein dickes Fell".


„Die Wahrung der Rechte des Parlaments sind mir ein großes Anliegen.“
Britta Haßelmann (Grüne), Parlamentarische Geschäftsführerin

Einer der wichtigsten Termine für die Abgeordneten in den Sitzungswochen ist die Fraktionssitzung. Sie findet immer dienstags, einen Tag vor Beginn der Plenarsitzungen, statt. Hier wird die Tagesordnung besprochen und über das Abstimmungsverhalten und die Redner entschieden, die in einer Debatte das Wort ergreifen sollen. Auch wenn die Abgeordneten formell keiner Fraktionsdisziplin unterliegen und sie laut Verfassung nur ihrem Gewissen unterworfen sind, wird von ihnen erwartet, dass sie sich hinter den Mehrheitsbeschluss ihrer Fraktion stellen. Gerade für die Regierungsfraktionen ist es wichtig, dass ihre Gesetzesvorhaben nicht von den eigenen Leuten blockiert werden.

In einer Dreier-Koalition dürften stabile Mehrheiten nicht einfacher zu finden sein. Kommt es so, sind die PGF und Fraktionschefs mehr denn je als Krisenmanager und Vermittler gefragt.