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Editorial : Endlich wieder Streit

In der neuen Konstellation macht es Freude, Debatten im Bundestag zu folgen. Unterschiede werden deutlich und Politik wird wieder greifbar.

07.06.2022
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2 Min

Eine solche Generaldebatte im Bundestag hat es jahrelang nicht mehr gegeben. 176 Tage nach der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler haben Regierungskoalition und Unionsfraktion ihre neuen Rollen gefunden. Die Auseinandersetzung im Plenum war wichtig und wohltuend, denn sie wurde ebenso klar und hart wie demokratisch fair geführt. Es war ein Streit auf Augenhöhe. Das hat es in den vergangenen Jahren nicht oft gegeben, was auch daran lag, dass schon die wenige Redezeit der bei Großen Koalitionen nur sehr kleinen Opposition für einen Schlagabtausch nicht taugt. Damit aber fehlt einer Regierung der Rechtfertigungsdruck, es fehlt der Moment, an dem ein Kanzler sein Manuskript zur Seite legt und Klartext redet.

In der neuen Konstellation macht es Freude, Debatten im Bundestag zu folgen. Unterschiede werden deutlich und Politik wird wieder greifbar. Plötzlich wird aus hanseatischer Zurückhaltung, wie sie der Kanzler in seinen Reden gerne auslebt, eine rhetorisch präzise Replik auf einen Oppositionsführer, der diese Rolle beherrscht wie kaum ein anderer. Friedrich Merz gegen Olaf Scholz, dieses parlamentarische Duell wird die Wahlperiode prägen.

Sondervermögen: Miteinander auch in schwierigen Fragen

Auch abseits des Rednerpults zeigte die vergangene Woche, dass es parlamentarisch derzeit gut um das Land bestellt ist. Ampel und Opposition haben einen Weg gefunden, konstruktiv miteinander zu beraten. Beim Sondervermögen für die Bundeswehr, also der Ermächtigung der Regierung, 100 Milliarden Euro Schulden zusätzlich aufzunehmen, war dies schon aufgrund der dafür notwendigen Grundgesetzänderung unerlässlich.

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Bei anderen Fragen, die keine verfassungsändernde 2/3-Mehrheit erfordern, ist ein solches Miteinander nicht notwendig. Der Wert der Minderheit in der Demokratie liegt unter anderem im Aufzeigen von Alternativen, ihr Los aber ist es, überstimmt zu werden. Das wäre auch bei der Reform des Wahlrechts möglich, stünde aber im Widerspruch zur gerade eingesetzten Kommission, die überparteilich Vorschläge für ein neues Wahlrecht erarbeiten soll. Es bleibt ein lohnenswertes Ziel, die Frage, auf welche Weise der Bundestag gewählt werden soll, in einem möglichst breiten demokratischen Konsens zu beantworten. Das Sondervermögen hat gezeigt, dass ein Miteinander auch in schwierigen Fragen möglich ist.