Gastkommentare : Pflicht zur Frauenquote im Parlament? Ein Pro und Contra
Soll zur Stärkung des Frauenanteils unter den Bundestagsabgeordneten eine verbindliche Quote festgelegt werden? Heribert Prantl ist dafür, Tatjana Heid hält dagegen.
Der Turbo tut not: Frauen sind in keinem deutschen Parlament gleichberechtigt vertreten
In keinem deutschen Parlament seit 1919 waren oder sind Frauen gleichberechtigt vertreten. Bis 1987 lag der Frauenanteil im Bundestag bei unter zehn Prozent. 1998 konnte er dort erstmals die 30-Prozent-Marke nehmen; dort hängt er seitdem fest. Nur ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen. Passt schon? Wird schon? Wird nicht, jedenfalls nicht von selbst.
Paritätsgesetze wollen die je hälftige Besetzung mit Männern und Frauen durchsetzen; das beliebteste Modell dabei ist ein Reißverschluss-System: Die Parteien werden verpflichtet, auf ihren Wahllisten jeweils im Wechsel einen Mann und eine Frau zu nominieren. Solche Gesetze sind heute so umstritten wie es 1919 im Reichstag das Frauenwahlrecht und 1948/49 im Parlamentarischen Rat der Gleichberechtigungssatz waren. Erste legislative Versuche mit der Parität sind in Brandenburg und Thüringen an den Landesverfassungsgerichten gescheitert, mit holprigen Urteilsbegründungen.
Gegen Quote und Parität wird nicht mehr, wie früher, eine angeblich natürliche Ordnung der Geschlechter ins Feld geführt. Heute heißt es, Frauen sollten wegen ihrer Fähigkeiten, nicht wegen einer Quote gewählt werden. Quote sei Planwirtschaft, ein Eingriff in die unternehmerische und politische Freiheit. Aber die Emanzipationsgeschichte lehrt, dass es ohne offensive gesetzliche Hilfe keine Emanzipationsfortschritte gibt. Im Grundgesetz steht seit 1994 der Satz, dass der Staat "die tatsächliche Durchsetzung" der Gleichberechtigung fördert und "auf die Beseitigung bestehender Nachteile" hinwirkt. Das verpflichtet.
Die Parität sei, so heißt es bisweilen, ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Das ist falsch. Sie ist Element einer sich fortentwickelnden Demokratie. Sie wäre, sie ist ein Gleichberechtigungsturbo.
Contra
Es geht darum, wie mehr Frauen in die Politik gebracht werden können - nicht, wie viele es genau sein sollen
Windkraftquote, Eigenheimquote, Schulabbrecherquote: Der Umgang mit Quoten gehört zum Einmaleins der Politik. So effektiv das oft ist: Zur Durchsetzung gesellschaftlich wünschenswerter Verhältnisse - und dazu gehört die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Bereichen des Lebens - eignen sie sich nur bedingt. Das gilt auch für den Bundestag. Hier ist der Frauenanteil zu gering für ein Parlament, das die gesamte Bevölkerung repräsentieren soll. Doch ist Parität qua Gesetz die Lösung? Nein.
Da wären zum einen praktische Hürden. Paritätsgesetze sind rechtlich heikel. Das haben die Versuche in Thüringen und Brandenburg gezeigt, die beide vor Gericht keinen Bestand hatten. Hinzu kommt, dass Paritätsgesetze vor allem öffentlichkeitswirksam sind. Sie suggerieren: Wir unternehmen etwas. Und dennoch setzen sie nicht an der Wurzel des Problems an. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz wurde auch gefeiert, trotzdem gehen viele Kinder nach wie vor leer aus.
Die eigentliche Frage ist, wie mehr Frauen in die Politik gebracht werden können - und nicht, wie viele es genau sein sollen. Der Zugang zu politischem Engagement muss erleichtert werden. Das heißt etwa, Kommunalpolitik familienfreundlicher gestalten, Kinderbetreuung verbessern, Frauennetzwerke fördern und vor allem härter gegen Anfeindungen von Frauen in der Politik vorgehen.
Schaffen Parteien das nicht einmal in ihren eigenen Reihen, disqualifizieren sie sich für einen Teil der Wähler. Auch das ist Demokratie. Parteien sind frei in der Gestaltung ihrer politischen Ziele. Die Wähler entscheiden, was sie davon halten. Dazu brauchen sie keine Quoten.
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