Offene Verfahren : Viel zu tun fürs Bundesverfassungsgericht
Nachtragshaushalt 2021, CumEx-Untersuchungsausschuss, Wahlrecht, Stiftungsfinanzierung - das Bundesverfassungsgericht hat gerade viele rechtliche Fragen zu klären.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zieht wie angekündigt wegen der gescheiterten Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Steuerskandal bei der Warburg-Bank vor das Bundesverfassungsgericht. Sie will nach Angaben vom Donnerstag das höchste deutsche Gericht feststellen lassen, dass die antragstellenden Abgeordneten und die Fraktion durch den Beschluss des Bundestags, der die Einsetzung verhindert hat, in ihren Rechten verletzt wurden. Die Ampelkoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatte Anfang Juli den Einsetzungsantrag abgelehnt. Die Union wollte mit dem Untersuchungsausschuss die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Steueraffäre um die in den CumEx-Skandal verstrickte Hamburger Warburg-Bank näher beleuchten. Aus Sicht der Koalition war der von der Union vorgeschlagene Untersuchungsauftrag zu weitgehend. Nun wird Karlsruhe entscheiden müssen.
Richter klären grundlegene Streitfragen zwischen den Fraktionen
Das Verfahren um den CumEx-Untersuchungsausschuss reiht sich ein in diverse Fragestellungen, die die Verfassungsrichterinnen und -richter aktuell zu entscheiden haben, die grundlegende Streitigkeiten zwischen den Fraktionen beziehungsweise Abgeordnete betreffen. Noch offen ist beispielsweise das vom Christdemokraten Thomas Heilmann angestrengte Verfahren (2 BvE 4/23) zum Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor der Sommerpause einem Antrag Heilmanns auf einstweilige Anordnung stattgegeben und die eigentlich vorgesehene Abstimmung über das Gesetz unterbunden. Der Abgeordnete hatte geltend gemacht, nicht ausreichend Zeit gehabt zu haben, sich mit dem umfassend geänderten Entwurf auseinandersetzen zu können. In der Sache geurteilt hat das Gericht indes noch nicht. Das Gesetz passierte vergangenen Freitag den Bundestag.
Auch um Wahlen und Wahlrecht wird noch gestritten. Beim Bundesverfassungsgericht laufen noch Wahlprüfungsbeschwerden von CDU/CSU (2 BvC 4/23) und AfD (2 BvC 5/23) zum Umfang der zu wiederholenden Bundestagswahl in Berlin. Das von der Koalition im März beschlossene Wahlrecht wird ebenfalls in Karlsruhe verhandelt werden. Linke, Union und die bayerische Landesregierung klagen (2 BvF 1/23, 2 BvE 2/23) gegen die Reform beziehungsweise wollen das tun. Parallel läuft noch ein Verfahren gegen die von der damaligen Großen Koalition 2020 auf den Weg gebrachte Reform des Wahlrechts. Die Klage hatten seinerzeit Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken gemeinsam auf den Weg gebracht. Einen Antrag der Kläger, das Verfahren nach der jüngsten Reform ruhen zu lassen, lehnte das Gericht aufgrund des "öffentlichen Interesses" ab (2 BvF 1/21).
Union hält Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig
Gestritten wird auch über den Nachtragshaushalt 2021. Den hält die Unionsfraktion für verfassungswidrig und stellt damit die finanzielle Ausstattung des Klima- und Transformationsfonds in Frage. Auch hier steht eine Entscheidung noch aus (2 BvF 1/22).
Offen ist auch noch die Frage, ob durch den Ausschluss der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung durch einen Vermerk im Haushaltsgesetz 2022 von der staatlichen Stiftungsfinanzierung das Recht auf Chancengleichheit der Partei verletzt worden ist (2 BvE 1/23). Den Ausschluss der Stiftung von der staatlichen Stiftungsfinanzierung im Haushaltsgesetz 2019 hatte das Gericht in einem bereits entschiedenen Verfahren (2 BvE 3/19) als Verletzung des Rechts der AfD gerügt, da keine gesetzliche Grundlage dafür vorlag.