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Rechtliche und tatsächliche Gleichstellung : Bei der Gleichstellung fast Schlusslicht in Europa

Der Bundestag diskutiert über die Frauenrechtskonvention und sieht Handlungsbedarf unter anderem bei Gewalt in Partnerschaften.

05.12.2022
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3 Min

Erst Ende November hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) zusammen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aktuelle Daten zur Gewalt in Partnerschaften vorgestellt. Demnach trifft nach wie vor überwiegend Frauen diese Gewalt, während die Täter meist Männer sind: 2021 waren 80,3 Prozent der Opfer weiblich, knapp 79 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich, heißt es in dem aktuellen Bericht.

Die Konvention verbietet die Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen

Mit einem nicht mehr ganz so neuen Bericht, dessen Thema aber nach wie vor sehr aktuell ist, wie man an den Zahlen zur Partnerschaftsgewalt sieht, befasste sich der Bundestag in der vergangenen Woche. Zur Diskussion im Plenum stand der Neunte Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Diesen hatte die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr als Unterrichtung vorgelegt.


„Deutschland ist in Sachen Gleichstellung immer noch auf Platz 24 von 27 in Europa.“
Ariane Fäscher (SPD)

CEDAW steht für "Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women". Die Frauenrechtskonvention CEDAW, die 1981 in Kraft trat, verbietet die Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen und verpflichtet die Vertragsstaaten, die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung umzusetzen und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen. Etwa alle vier Jahre müssen die Vertragsstaaten über den jeweiligen Status quo und die erzielten Fortschritte vor dem CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen Bericht erstatten.

Union kritisiert Vernachlässigung des Themas Prostitution durch die Regierung

In der Debatte betonte Ministerin Paus, dass die Regierung sich viel vorgenommen und einiges schon erreicht habe: "Erstens haben ungewollt schwangere Frauen mit der Abschaffung des Paragrafen 219a endlich Zugang zu wichtigen medizinischen Informationen zum Abbruch. Zweitens signalisieren wir mit der vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention auch international, dass wir Gewalt gegen Frauen entschlossen bekämpfen."

Katja Leikert (CDU) warf der Regierung jedoch vor, das Thema Prostitution zu vernachlässigen. "In fast keinem Land in Europa sind Prostitution und der damit verbundene Menschenhandel so ausgeprägt wie bei uns." Davor verschließe die Regierung leider die Augen, sagte sie.

SPD beziffert Kosten partnerschaftlicher Gewalt auf 2,75 Milliarden Euro pro Jahr 

Ariane Fäscher (SPD) stellte fest: "Deutschland ist in Sachen Gleichstellung immer noch auf Platz 24 von 27 in Europa. Wir lassen uns die patriarchale Idee der männlichen Überlegenheit weiter viel kosten. Allein partnerschaftliche Gewalt schlägt jedes Jahr mit 2,75 Milliarden Euro für Polizei, Krankenhaus, Beratungs- und Schutzstellen zu Buche."

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Mariana Harder-Kühnel (AfD) verwies auf Polen: Der Anteil von Frauen in Führungspositionen liege dort deutlich über dem deutschen Wert, "ganz ohne Gleichstellungspolitik, ganz ohne Gendergedöns. Hören Sie also endlich auf, mit dem moralischen Finger auf andere zu zeigen."

Nicole Bauer (FDP) forderte, es müssten noch weitere Meilensteine bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesetzt werden, wie ein zweiwöchiger Partnerschutz nach der Geburt oder Mutterschutz auch für Selbstständige.

Linke kritisiert Kürzung der Mittel für Frauenhäuser 

Heidi Reichinnek (Die Linke) begrüßte, dass die Regierung die Istanbul-Konvention "vorbehaltlos" und "wirksam" umsetzen möchte. Das koste ja auch nichts. Gleichzeitig würden Mittel für Frauenhäuser 2023 um zehn Millionen Euro gestrichen - bei steigendem Bedarf.

Denise Loop (Grüne) kritisierte die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch. "Sie bedeutet, dass Frauen immer noch kriminalisiert, stigmatisiert und in ihrer körperlichen Selbstbestimmung eingeschränkt werden."