Vor 30 Jahren... : Tabu-Thema Abtreibung
Im Sommer 1990 gingen Tausende gegen die westdeutsche Regelung auf die Straße. 1992 beschloss der Bundestag eine Reform – die vor dem Verfassungsgericht landete.
Im Sommer 1992 gab es in Berlin Proteste gegen den Paragrafen 218. Am 04. August 1992 kippen die Verfassungsrichter das Abtreibungsgesetz.
Wann darf eine Frau abtreiben lassen? Seit Jahrzehnten sorgt diese Frage für hitzige Debatten - zuletzt wieder diesen Juni: Während in den USA das liberale Abtreibungsrecht gekippt wurde, hob der Bundestag am selben Tag das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf. Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) denkt schon einen Schritt weiter: "Man muss auch über den Paragraf 218", der die Strafbarkeit von Abtreibungen regelt, "reden", sagte sie. Darüber wurde schon vor 30 Jahren gestritten.
Einheitliche Regelung wird zum Fall für das Verfassungsgericht
Nach der Wiedervereinigung wurde eine einheitliche Regelung in Ost und West notwendig. Denn während in der DDR ein Schwangerschaftsabbruch nach Beratung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legal war, war er in der Bundesrepublik rechtswidrig und nur etwa aufgrund medizinischer Indikation legal. Schon im Sommer 1990 gingen bundesweit Tausende gegen die westdeutsche Regelung auf die Straße. 1992 beschloss der Bundestag eine Reform: Dabei wurde eine Pflichtberatung eingeführt, die einen Abbruch in den ersten zwölf Wochen als nicht rechtswidrig einstufte.
Doch das Gesetz landete auf Antrag Bayerns und 247 Unions-Abgeordneter vor dem Bundesverfassungsgericht. Am 4. August 1992 haben die Richter entschieden: Das Grundgesetz verpflichte den Staat, ungeborenes Leben zu schützen. Eine Abtreibung müsse weiterhin als Unrecht gelten und dürfe lediglich innerhalb der ersten zwölf Wochen "straflos" bleiben. 1995 setzten die Abgeordneten die Vorgaben um: Ein Abbruch blieb zwar straffrei, aber trotz Beratung in der Regel rechtswidrig. Als rechtmäßig galt er nur aus medizinischen Gründen oder nach einer Vergewaltigung.