Reform im Bundestag : Mutterschutz bei Fehlgeburten wird ausgeweitet
Mütter sind nun nach einer Fehlgeburt nicht mehr auf eine Krankschreibung der Ärzte angewiesen. Der Bundestag hat das Mutterschutzgesetz geändert.
Es war eine Schwangerschaft ohne Happy End. Vor drei Jahren erlitt Natascha Sagorski eine Fehlgeburt. Der Herzschlag ihres ungeborenen Kindes war plötzlich nicht mehr zu hören. Es folgte ein operativer Eingriff, bei dem der tote Fötus ausgeschabt wurde. Trotz der damit verbundenen seelischen und körperlichen Schmerzen - am Tag nach dem Eingriff hätte sie wieder arbeiten gehen müssen. Einen gesetzlich geregelten Mutterschutz gebe es bei Fehlgeburten nicht, wurde ihr gesagt. In ihrem Fall war es schließlich ihr Hausarzt, der sie krankgeschrieben hat. Was jedoch mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden war, den sie sich in ihrem Zustand gern erspart hätte.
Ein Grabfeld für Stillgeborene: Der Bundestag hat in der letzten regulären Sitzungswoche der Legislatur einen erweiterten Mutterschutz nach Fehlgeburten auf den Weg gebracht.
Für die heute 40-Jährige war klar: Das kann so nicht bleiben. Sie wandte sich im Sommer 2022 mit einer öffentlichen Petition an den Petitionsausschuss des Bundestages. Natascha Sagorski forderte eine Änderung am Status quo, wonach Frauen nach Fehlgeburten, also Geburten, bei denen Babys keine Lebensmerkmale gezeigt haben, deren Gewicht weniger als 500 Gramm betrug, und die Geburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erfolgte, kein Mutterschutz zusteht. Ihren Vorschlag eines gestaffelten Mutterschutzes griff die Politik schließlich auf.
Künftig gibt es eine gestaffelte Regelung
Am späten Donnerstagabend verabschiedete der Bundestag einstimmig einen Gesetzentwurf der Unionsfraktion für ein Mutterschutzanpassungsgesetz. Künftig gilt eine gestaffelte Regelung: Bei Fehlgeburten ab der 13. Schwangerschaftswoche sind es zwei Wochen, ab der 17. Schwangerschaftswoche sechs Wochen und ab der 20. Schwangerschaftswoche acht Wochen Mutterschutz.
Während der Debatte ging dann auch mehrfach der Dank an die Petentin. Natascha Sagorski habe aus einer "zutiefst schmerzvollen Erfahrung" die Kraft und den Mut gefunden, sich für alle Frauen einzusetzen, sagte Sarah Lahrkamp (SPD). Durch die Neuregelung werden nun der gesetzliche Anspruch auf eine Regenerationszeit geschaffen, "die der körperlichen und seelischen Belastung Rechnung trägt". Lahrkamp verwies darauf, dass SPD und Grüne ein fast identisches Gesetz erarbeitet hätten. Daher könne sie diesem guten Gesetz, "das viele Mütter hat", auch zustimmen.
Trotz Wahlkampf konnte eine Einigung erzielt werden
Melanie Bernstein (CDU) machte deutlich, dass sie noch vor wenigen Wochen skeptisch gewesen sei, ob es in dieser Legislaturperiode noch eine Einigung zum Mutterschutz bei Fehlgeburten geben könne. Umso mehr freue sie sich, "dass wir es trotz Wahlkampf geschafft haben, eine Einigung zu erzielen". Bernstein machte zugleich auf einen der Beschlussempfehlung beigefügten Entschließungsantrag von Union, SPD und Grünen aufmerksam. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, alle gesetzlich versicherten Frauen umfassend über die ihnen zustehenden Ansprüche zu informieren. Außerdem solle sie im Austausch mit den privaten Krankenversicherungen eine Regelung zur Anpassung des Versicherungsvertragsgesetzes finden, damit auch privatversicherte Selbständige abgesichert werden können.
Frauen könnten fortan selbst entscheiden, ob sie den Mutterschutz in Anspruch nehmen oder direkt wieder arbeiten gehen wollen, sagte Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne). "Dem Frauenrecht auf individuelle Selbstbestimmung tragen wir mit diesem Gesetz Rechnung", betonte sie. Wichtig sei auch der Entschließungsantrag. Er verpflichte die zukünftige Regierung dazu, "Selbstständige so schnell wie möglich in den Schutz aufzunehmen".
Gesetzentwurf macht deutlich: Petitionen zeigen Wirkung
Für Krumwiede-Steiner wird mit der Annahme des Gesetzentwurfes auch deutlich, dass Petitionen Wirkung zeigen. Und noch etwas zeige sich: Demokratische Mehrheiten seien möglich, "wenn wir miteinander verhandeln".
Das Thema Fehlgeburt werde totgeschwiegen, obwohl doch fast jeder solche Fälle im Bekannten- oder Freundeskreis habe, sagte Nicole Bauer (FDP). "Dieses Schweigen hilft aber niemanden", betonte sie. Es isoliere Betroffene und mache ihr Leid unsichtbar. Bauer kritisierte, dass es bislang im Ermessen des Arztes gelegen habe, ob eine Frau krankgeschrieben wird. "Genau das wollen wir ändern", machte sie deutlich. Das Gesetz sei ein wichtiger Meilenstein für die Frauen und Familien in Deutschland, die leider die Erfahrung einer Fehlgeburt machen müssen. Parteiübergreifend sei es gelungen, ein klares Zeichen zu setzen, freute sie sich.
Zustimmung kam auch von der AfD. "Wir sind sehr froh über den vorliegenden Gesetzentwurf", sagte Nicole Höchst. Er hole endlich Fehlgeburten und Totgeburten aus der gesellschaftlichen Tabuzone. Das Gesetz lasse zudem Müttern die notwendige Selbstbestimmung und damit auch die unbedingte Würde, erklärte die AfD-Abgeordnete.
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