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Corona-Pandemie : Banger Blick voraus

Heftige Kritik der Opposition an der Herbst-Winter-Strategie der Koalition.

11.07.2022
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4 Min
Foto: picture alliance / EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Der Sachverständigenrat bestätigt: Das Tragen einer Schutzmaske kann ein wirksames Instrument sein, vor allem in Innenräumen. Aber: "Eine schlechtsitzende Maske hat jedoch einen verminderten bis keinen Effekt."

Die Präsentation des mit Spannung erwarteten Berichts des Sachverständigenrates zur Wirkung der Corona-Auflagen unlängst war von einer gewissen Ratlosigkeit begleitet. Die Empfehlungen der Experten fielen teils unbestimmt aus und bestätigten an manchen Stellen nur das, was inzwischen quasi als Allgemeinwissen in der Pandemie gelten kann. So verkündeten die hochkarätigen Wissenschaftler, das Tragen einer Schutzmaske könne ein wirksames Instrument sein, vor allem in Innenräumen, aber: "Eine schlechtsitzende und nicht enganliegende Maske hat jedoch einen verminderten bis keinen Effekt."

Dem Bericht zu entnehmen war, dass ein harter Lockdown in der jetzigen Phase der Corona-Pandemie wohl nicht mehr das Mittel der Wahl wäre. Je länger ein Lockdown dauere und je weniger Menschen bereit seien, diesen mitzutragen, desto geringer sei der Effekt, hieß es. Die zukünftigen Auflagen müssten sich auf den "Übergang zur Endemie" mit dem Schutz vulnerabler Gruppen konzentrieren.

Lauterbach verspricht Instrumentenkasten

Wie das künftige Konzept aussehen wird, auch in Form eines angepassten Infektionsschutzgesetzes (IfSG), ist noch unklar. Vergangene Woche stand quasi erst einmal ein Vorschaltgesetz der Ampel-Fraktionen zur ersten Beratung an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Regelungen später ergänzen und versprach einen "umfänglichen Instrumentenkasten". Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Covid-19 beinhaltet Regelungen für die Impfkampagne mit Fristverlängerungen, eine präzise Bettenerfassung in Krankenhäusern und Hygienekonzepte für die Pflege. Vorschläge für eine Herbst-Winter-Strategie kommen auch von Union und Linken. Die Unionsfraktion fordert in einem Antrag ein gestuftes Corona-Konzept mit dem Ziel, vulnerable Gruppen zu schützen und flächendeckende Lockdowns zu vermeiden.


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Foto: BMG/Jan Pauls
„Die Pandemie wird leider nicht in die Sommerpause gehen.“
Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsminister

Die Linksfraktion präsentiert in ihrem Antrag ein ganzes Bündel an Vorschlägen. Die Abgeordneten fordern die Vorbereitung einer neuen Impfkampagne, eine zuverlässige Testinfrastruktur und ein Testkonzept, das allen Menschen wieder Zugang zu kostenlosen Tests ermöglicht. Die AfD-Fraktion fordert derweil in einem Antrag, die verpflichtende Corona-Impfung für Soldaten aus der Liste der verpflichtenden Basisimpfungen der Bundeswehr zu streichen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat unterdessen aktuell Beschwerden von Offizieren gegen die Corona-Impfpflicht zurückgewiesen und die Duldungspflicht bestätigt. Jedoch müsse vor der Anordnung einer Auffrischungsimpfung die Lage neu überprüft werden, entschieden die Richter.

Neue Impfstoffe in Vorbereitung

SPD-Minister Lauterbach räumte ein, mit Impfungen könne nicht jede Infektion vermieden werden, "aber die schweren Erkrankungen können wir beherrschen". Neue, angepasste Impfstoffe, auch gegen die dominierende Omikron-Subvariante BA.5, seien in Vorbereitung. Der Minister setzt daneben auf den Einsatz von Arzneimitteln, deren Abgabe unbürokratisch organisiert werden soll. Lauterbach sagte, er rechne mit einer schwierigen Lage und versprach mit Blick auf das IfSG: "Wir werden alles haben, was wir benötigen." Die Pandemie gehe leider nicht in die Sommerpause, die Pandemiebekämpfung aber auch nicht.

Christina Baum (AfD) bezichtigte die Bundesregierung, die Menschen mit Impfungen und Schutzmasken zu nötigen und in ihrer Freiheit zu beschränken. Die Koalition wolle daran festhalten, die nach China strengsten Corona-Auflagen weiterzuführen, entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Martin Sichert (AfD) betonte, Lauterbach habe eingestanden, dass Impfungen nicht gut schützten. Trotzdem sehe der Gesetzentwurf die Impfung als zentrales Instrument vor. Dies sei unerklärlich.

CDU kritisiert "Chaos und Konfusion"

Der CDU-Abgeordnete Tino Sorge hielt dem Minister vor, außer Ankündigungen nichts vorzulegen. Bei der Corona-Strategie für den Herbst gebe es in der Koalition Chaos und Konfusion, zuletzt in der Frage der Abrechnungen von Schnelltests. Sorge sagte, er hätte sich gewünscht, dass im Gesetzentwurf erklärt werde, welche konkreten Maßnahmen im Herbst vorgesehen seien im Infektionsschutzgesetz. Es gebe aber keine konkreten Vorschläge. Er mutmaßte, das hänge wohl damit zusammen, dass die Ampel-Koalition überhaupt nicht wisse, wohin sie wolle. Sorge forderte Lauterbach auch dazu auf, sich zur umstrittenen sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu äußern, die Ende des Jahres ausläuft.

Maria Klein-Schmeink (Grüne) räumte ein, es gebe in der Koalition "sehr unterschiedliche Haltungen" zur Ausgestaltung des IfSG. Daran müsse über die Sommerferien gearbeitet werden. Den Ländern und Kommunen müssten die nötigen Schutzvorkehrungen ermöglicht werden.

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Andrew Ullmann (FDP) warf der Union vor, an alten Methoden festzuhalten, obwohl zur Bekämpfung der Pandemie inzwischen neue Instrumente zur Verfügung stünden, wie etwa angepasste Impfstoffe, monoklonale Antikörper und antivirale Medikamente. Er lehne einen neuerlichen Lockdown ab, sagte Ullmann und argumentierte, es müssten auch psychosoziale, wirtschaftliche und verfassungsrechtliche Folgen berücksichtigt werden.

Nach Ansicht der Linksfraktion agiert die Koalition planlos. Kathrin Vogler (Linke) rügte die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests. Die neuen Regelungen für Tests seien "abschreckend und bürokratisch". Die Vorlage der Koalition bezeichnete sie als "dürres Gerüst aus wenigen Ideen". Offensichtlich werde die Gesundheitspolitik jetzt im Finanz- und Justizministerium gemacht.