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Corona-Impfstoff : Kommunikatives Desaster

Nach der Entscheidung zu Johnson&Johnson-Impfstoff: RKI-Beschluss und Sonderrolle des Bundestages für Genesene stoßen auf Kritik.

31.01.2022
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4 Min
Foto: picture-alliance/Flashpic/Jens Krick

Auch im Bundestag gelten in der Corona-Pandemie strenge Vorgaben und Regeln.

Wer mit der Johnson&Johnson-Impfung gegen eine Coronainfektion immunisiert wurde, gilt seit zwei Wochen als ungeimpft und fällt damit nicht mehr unter die 2G-Regelung. Gleiches gilt für von Corona-Genesene, wenn die Erkrankung länger als drei Monate zurückliegt. Quasi über Nacht haben die dem Bundesgesundheitsministerium unterstellten Experten beim Robert-Koch-Institut (RKI) sowie dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) durch geänderte Zahlen auf ihren Internetseiten für Aufregung gesorgt.

Johnson&Johnson-Geimpfte brauchen nun zwei statt wie bislang nur eine Impfung. Als genesen gilt man jetzt nur noch drei statt sechs Monate. Übergangsregelungen gibt es nicht. Betroffen von den Entscheidungen sind Millionen von Bundesbürgern.

Wie konnte es dazu kommen? Am 13. Januar verabschiedete der Bundestag die "Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung" (20/390). Danach gelten künftig sowohl Impfnachweise als auch Genesenennachweise in der Art, wie es auf den Internetseiten von RKI und PEI "unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft" verlautbart wird. Mit Ausnahme der AfD stimmten alle Fraktionen im Bundestag der Verordnung zu (20/414). Einen Tag später, am 14. Januar, nahm der Bundesrat in einer Sondersitzung die Vorlage einstimmig an. Schon am Samstag, dem 15. Januar, machten RKI und PEI ernst und änderten die Regeln.

Heftige Kritik

Der Aufschrei war groß - zuallererst bei den Betroffenen, die Stück für Stück durch Medienberichte von ihrem geänderten Impf- oder Genesenenstatus erfuhren. Brüskiert fühlten sich aber auch einige Unions-Ministerpräsidenten und Gesundheitspolitiker der Unions-Fraktion. Die Änderung führte allen vor Augen, dass sich Bundestag und Bundesrat mit ihrer Zustimmung zu der Verordnung letztlich selber aus dem Spiel genommen hatten.

Was aber sagt nun Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu dem Chaos? Im Bundestag warb Lauterbach am vergangenen Mittwoch noch engagiert für eine Impfpflicht. Doch bei der Debatte über den Genesenenstatus am Donnerstag war er nicht zugegen. Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) erklärte er, nicht davon unterrichtet worden zu sein, "dass der Genesenenstatus jenseits der Quarantäneregeln quasi über Nacht auf drei Monate verkürzt wurde".

In der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" räumte er eine "Kommunikationsfehlleistung" ein. Einen Bedarf, die Änderung zurückzunehmen oder zumindest Übergangszeiten einzubauen, sieht der Minister nicht. Entscheidungen wie diese werde er auch in Zukunft nicht stoppen. "Die Wissenschaft muss unabhängig bleiben und ist Grundlage meiner Arbeit", sagte er der FAZ.

Irrungen und Wirrungen

Hintergrund des verkürzten Genesenenstatus ist die Omikron-Variante. Laut RKI ist die Änderung nötig, "da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Delta-Variante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikron-Variante haben".

Die Irrungen und Wirrungen rund um die Über-Nacht Entscheidung des RKI gehen aber weiter. Just zu dem Zeitpunkt, als Lauterbach die Abkürzung des Genesenenstatus verteidigte, wurde auf EU-Ebene - mit den Stimmen der deutschen Vertreter - beschlossen, dass der Genesenenstatus europaweit sechs Monate gültig sein soll.

Für öffentliche Irritationen sorgte ein weiteres Kuriosum. Bei Abgeordneten des Bundestages gilt nämlich noch immer der Genesenenstatus von sechs Monaten. Grundlage dafür ist eine vor der RKI-Entscheidung erlassene Allgemeinverfügung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Der Erlass einer neuen Allgemeinverfügung werde geprüft, heißt es.

Aus Sicht der Union ist das auch dringend nötig. Eine solche Sonderregelung sei skandalös und führe zu noch weniger Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung, befand Simone Borchardt (CDU) während der Debatte zum geänderten Genesenenstatus. "Sonderregelungen für uns darf es nicht geben", bestätigte auch Christine Aschenberg-Dugnus (FDP).

Die Forderung der AfD-Fraktion nach einer Rücknahme der Änderungen beim Impf- und Genesenenstatus (20/511) stieß indes auf Ablehnung aller Fraktionen. Martin Sichert (AfD) hatte dafür geworben und während der Debatte darauf verwiesen, dass der Bundestag "gegen die Stimmen der AfD" eine Website dazu ermächtigt habe, über elementare Freiheitsrechte der Menschen zu entscheiden. Über Nacht hätten Millionen Menschen diese verloren, beklagte er und urteilte: "So geht es nicht."

Veränderte Lage

Matthias Mieves (SPD) warnte hingegen davor, einen klaren Kurs mit einem starren Kurs zu verwechseln. "Ein starrer Kurs würde bedeuten, dass wir alte Maßnahmen beibehalten, obwohl sich die Lage schon wieder komplett verändert hat." Die Abgeordnete Borchardt befand hingegen: "Die Umsetzung dieser Verordnung auf diese Art und Weise durchzudrücken, ist absolut inakzeptabel."

Janosch Dahmen (Grüne) übte den Schulterschluss mit Lauterbach und sagte: "Wir müssen die Menschen schützen, wenn nötig auch sofort und direkt." Gleichwohl gelte es, in der Kommunikation besser zu werden. Aschenberg-Dugnus betonte: "Unser Ziel bleibt der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, und zwar nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft." Ates Gürpinar (Die Linke) warf der AfD vor, lediglich Ängste schüren zu wollen.