Drogen im Park : Wie der Schwarzmarkt bei Cannabis funktioniert
Cannabis wird auf dem Schwarzmarkt rege gehandelt. Mit der geplanten Legalisierung soll das anders werden.
Die Dealer, die sich im Berliner Volkspark Hasenheide in die Büsche schlagen, haben meist die Ruhe weg. Betont gelangweilt stehen die Drogenhändler in dem Neuköllner Park, unterhalten sich, manchmal rufen sie einem "Kollegen" etwas zu. Nähert sich ein Erwachsener, wird er interessiert beäugt und augenblicklich abgeschätzt. Ein Kunde mit Suchtdruck oder doch nur ein Spaziergänger mit Hund?
Die Männer (es sind immer Männer) sind erfahren, sie wissen, wie ihre Kunden ticken, sich üblicherweise verhalten, wenn sie Drogen kaufen wollen. Die Drogen sind in den Gebüschen versteckt, das Geschäft im Park läuft meist reibungslos, ohne Hektik, Streit oder Kampf.
Polizei: Verhalten der Dealer eher Fluchtverhalten
Der Waffenstillstand bringt Vorteile: Die Dealer verdienen Geld, die Polizei muss meist nicht eingreifen, Familien können unbehelligt durch den Park schlendern. Manchmal fährt ein Streifenwagen im Schritttempo durch den Park, um Präsenz zu zeigen und das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken. Die Polizei stuft die Hasenheide als "polizeilichen Brennpunkt" ein, das Verhalten der Dealer sei aber nicht von Gewalt geprägt, sondern "eher durch ein Fluchtverhalten", teilt die Pressestelle mit.
In dem Park wird überwiegend mit Marihuana gehandelt, das ergibt sich aus der Menge der entdeckten Drogen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden in der Hasenheide rund 2.850 Gramm Marihuana sichergestellt sowie rund 142 Gramm Haschisch.
Schwarzmarkt hat in Berlin lange Tradition
Proben zeigen, dass auch hochpotente Sorten mit einem Wirkstoffgehalt (THC) von mehr als 40 Prozent gehandelt werden. Die Dealer haben aber nicht nur weiche Drogen im Angebot, sondern auch Heroin und Kokain. In manchen Drogen-Brennpunkten werden zudem Amphetamine und neue psychoaktive Substanzen sowie Arzneimittel verkauft.
Der Schwarzmarkt im grünen Umfeld hat in Berlin eine lange Tradition wie die Kiez-Kneipe, wo der Joint öfter geraucht wird. Mit der Legalisierung von Cannabis soll sich der Drogenhandel in der Hasenheide, dem Görlitzer Park und anderswo verflüchtigen wie die Rauchschwaden im benachbarten Biergarten. Das ist der Plan. Das Argument: Legal verfügbares "Gras" in geprüfter Qualität, ohne schädliche Zusätze, mit bekanntem Wirkungsgrad, ist dem Produkt aus den Büschen überlegen. Die Strategie: Cannabis entkriminalisieren und das bizarre Versteckspiel beenden.
Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg gilt als "kriminalitätsbelasteter Ort."
Skeptiker glauben nicht daran, weil Cannabis auf dem Schwarzmarkt wahrscheinlich immer billiger sein wird als die Droge aus kontrollierten Cannabis-Clubs und viele Konsumenten sich die höheren Preise nicht leisten wollen oder können. Für den illegalen Handel spricht auch, dass Dealer jederzeit verfügbar sind und vermutlich besonders potente Drogen anbieten.
THC (Tetrahydrocannabinol) ist der Hauptwirkstoff der weiblichen Cannabispflanze (siehe Stichwortleiste), der den Rausch erzeugt. Verglichen mit Stoffen, die in den 1960er oder 1970er Jahren illegal angeboten wurden, ist der THC-Gehalt heute wesentlich höher. Fachleute sprechen von einer Tendenz zu hochpotentem Cannabis entweder in Reinform oder in Form synthetisch erzeugter Cannabinoide.
Veränderte Anbaumethoden Grund für gestiegene THC-Konzentration?
Wie die Internetseite drugcom.de unter Berufung auf Daten eines internationalen Forscherteams schreibt, hat sich der THC-Gehalt in Haschisch (Cannabis-Harz) und Marihuana (Cannabis-Blüten) zwischen 2006 und 2016 etwa verdoppelt. Demnach stieg die durchschnittliche THC-Konzentration in Haschisch von rund acht Prozent im Jahr 2006 auf 17 Prozent zehn Jahre später. Bei Marihuana wuchs der THC-Gehalt im selben Zeitraum von fünf auf zehn Prozent.
Als Grund vermuten die Forscher veränderte Anbaumethoden in Marokko, das als wichtigstes Importland für Haschisch gilt. Die Produzenten in Marokko seien auf Cannabis mit höherem THC-Gehalt umgestiegen. Der Psychiater und Drogenexperte Kurosch Yazdi schreibt in seinem Buch "Die Cannabis-Lüge": "In Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen Marihuana vor drei oder vier Jahrzehnten und heute größte als der Unterschied zwischen Bier und Schnaps."
Neben dem pflanzlichen Cannabis sind auch synthetische Cannabinoide im Umlauf, deren Wirkung um ein Vielfaches stärker ist und die für Konsumenten ein schwer kalkulierbares Gesundheitsrisiko darstellen. Bisweilen werden diese Drogen als vermeintlich harmlose Kräutermischungen oder sogenannte Legal Highs vermarktet.
Um der Verbreitung ständig neuer Suchtstoffe etwas entgegenzusetzen, beschloss der Bundestag 2016 in Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), über das nun ganze Stoffgruppen verboten werden können. Das aktuelle Verbot umfasst synthetische Cannabinoide. Dass sich inzwischen viele Konsumenten ernste Sorgen machen, zeigt sich in Berlin-Kreuzberg, wo das Angebot, Drogen auf ihre Zusammensetzung zur prüfen (Drug-Checking), stark nachgefragt wird.
4,5 Millionen regelmäßige Konsumenten in der Bundesrepublik
Schätzungsweise 4,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren regelmäßig Cannabis. Damit ist Cannabis die am häufigsten genutzte illegale Droge. Berlin ist auch die Hauptstadt der Cannabis-Konsumenten, wie aus dem Epidemiologischen Suchtsurvey 2021 hervorgeht. Demnach gaben 16,7 Prozent der erwachsenen Einwohner Berlins 2021 an, in einem Zeitraum von einem Jahr Cannabis konsumiert zu haben, 20 Prozent der Männer und 13,3 Prozent der Frauen. Das ist bundesweit die absolute Spitze.
Dass Kinder und Jugendliche durch Drogen aller Art besonders gefährdet sind, ist keine neue Erkenntnis. Junge Leute sind experimentierfreudig, lieben den Reiz des Verbotenen, wollen in ihrer Altersgruppe als cool gelten und greifen leider auch gerne dort zu, wo es langfristig schaden kann. Erfahrene "Kiffer" argumentieren, es sei noch niemand durch Cannabis-Konsum gestorben, anders als etwa Heroin-Junkies, im Übrigen sei Alkohol viel gefährlicher und legal.
Gesundheitliche Risiken für Heranwachsende
Mediziner und Psychotherapeuten sehen das kritischer und weisen auf gravierende Langzeitschäden hin, von denen besonders Heranwachsende betroffen sein können. Als gesichert gilt, dass THC das Gehirn der Konsumenten schädigen kann, insbesondere dann, wenn es noch wächst, also etwa bis zum Alter von 25 Jahren. Je höher die THC-Dosis, umso wahrscheinlicher sind Psychosen, Aufmerksamkeitsstörungen und eine größere Suchtaffinität.
Wer über einen längeren Zeitraum Cannabis regelmäßig in hohen Dosierungen nimmt, kann nach Aussagen erfahrener Nutzer und Therapeuten auch eine pathologische Antriebslosigkeit entwickeln sowie eine spezielle Form der Vergesslichkeit. Lungenärzte weisen darauf hin, dass Cannabis, wenn es geraucht wird, die Lunge schwer schädigt. Mögliche Folgen sind eine chronische Bronchitis sowie eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit Lungenemphysem und Atemnot.
Mit der Legalisierung verbunden ist daher der Schutz von Kindern und Jugendlichen, die weiterhin keine Drogen kaufen oder besitzen dürfen. Neben einer Aufklärungskampagne über die speziellen Risiken bei Cannabis sieht die Novelle ein Verbot von Werbung und Sponsoring vor. Ferner soll um Anbauorte herum eine Schutzzone von 200 Metern zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen oder Sportstätten eingehalten werden. Nach Ansicht von Kinderärzten und Psychiatern überwiegen gleichwohl die Risiken einer Legalisierung für die Heranwachsenden.
Ärztepräsident Reinhardt: Verpflichtende Aufklärungskurse
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt die Legalisierung der Droge ab, findet die mit der Novelle einhergehende Entkriminalisierung aber richtig. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte unlängst: "Werden Jugendliche zum ersten Mal erwischt, sollte man sie nicht strafrechtlich belangen, sondern zu verpflichtenden Aufklärungskursen in der Drogenberatung schicken." Portugal etwa hat damit gute Erfahrungen gemacht, wie aus einem Dossier der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages hervorgeht. Dort verfolgen die Behörden demnach seit vielen Jahren eine liberale Drogenpolitik.
Der Besitz einer geringen Menge Drogen - darunter auch harte Drogen - wird in Portugal nicht mehr als Straftat eingestuft, sondern als Ordnungswidrigkeit. Wer mit Drogen innerhalb der tolerierten Menge erwischt wird, muss bei einer "Kommission zur Abmahnung von Drogensucht" (CDT) erscheinen, wo sich Juristen, Sozialarbeiter und medizinische Fachkräfte um den Fall kümmern und Hilfsangebote unterbreiten. Im Wiederholungsfall werden Sanktionen verhängt, gemeinnützige Arbeit oder Bußgelder. Die Strategie führte dem Bericht zufolge zu einem Rückgang drogenbedingter Todesfälle und einer Entlastung der Justiz und damit der "sozialen Kosten".
2022 rund 175.000 Delikte, die den Besitz und Umgang mit Cannabis betreffen
Die juristischen Folgen der bisherigen Prohibition sind ein wesentlicher Grund für die Novelle. Wer mit Cannabis für den eigenen Konsum erwischt wird und sich strafrechtlich verantworten muss, fühlt sich unverhältnismäßig hart bestraft. Oft führen Betroffene den laxen Umgang mit hochprozentigem Alkohol als Vergleich an, um die aus ihrer Sicht ungerechte Behandlung zu illustrieren. Der Deutsche Hanfverband (DHV) kritisiert die teilweise harten Strafen auch bei geringen Mengen, insbesondere für "Wiederholungstäter". Nach Ansicht des DHV ist das von Cannabis ausgehende Gesundheitsrisiko wesentlich geringer einzuschätzen als das durch Alkoholmissbrauch.
Nach Angaben des nationalen Gesundheitsportals gesund.bund sind 2021 allein mehr als 33.000 Handelsdelikte mit Cannabis registriert worden, das waren fast 60 Prozent aller Handelsdelikte. Insgesamt nahm die Polizei 2022 rund 175.000 Delikte auf, die den Besitz und Umgang mit Cannabis betreffen . Allerdings dürften in vielen Fällen die Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sein, das ist laut Gesetz bei einer nur geringen Menge für den Eigenbedarf immer möglich.
Deutsche Richterbund: Neue Straftatbestände könnten entstehen
Was eine geringe Menge ist, wird in Deutschland freilich ganz unterschiedlich interpretiert. Laut einer Expertise der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren derzeit in jedem Bundesland bis zu einem Bruttogewicht von sechs Gramm Cannabis einstellen. Vier Länder erlauben bis zu zehn Gramm. Auch hier ist Berlin wieder Spitze: Die Berliner Regelung enthält die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens bis zu einem Bruttogewicht von 15 Gramm.
Mit der Legalisierung von Cannabis soll der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Im Bundestag gibt es scharfe Kritik an den Plänen der Ampel.
Viele Begriffe schwirren in der Diskussion um die Cannabis-Legalisierung durch den Raum. Ein Überblick über einige von ihnen im Glossar.
In der Justiz und bei der Polizei halten sich Bedenken, ob die Legalisierung von Cannabis der richtige Weg ist. Der Deutsche Richterbund etwa sieht mehrere Nachteile, darunter den, dass mit der Reform neue Straftatbestände entstehen könnten, die mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand verbunden wären. Nach Ansicht des Richterbundes ist mit einem Missbrauch von Anbauvereinigungen und mit einer Stärkung des Schwarzmarktes zu rechnen sowie mit einem stark erhöhten Cannabis-Konsum durch Jugendliche.
Die Polizei sieht gleichfalls in der Perspektive keine Arbeitsentlastung, da der legale Anbau ebenfalls kontrolliert werden müsste und in den "Brennpunkten" auch mit harten Drogen gehandelt wird. Die Erfahrung mit Alkohol zeige im Übrigen, dass eine Weitergabe der Droge an Jugendliche nur schwer zu unterbinden sei. Nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) wäre mehr Aufklärung sinnvoller als eine Legalisierung. So habe eine Studie ergeben, dass fast 40 Prozent der Heranwachsenden zwischen 18 und 25 Jahren bereits Erfahrungen mit Cannabis gemacht hätten. Die Legalisierung wäre daher "ein fatales Signal".