Grünes Licht für Doppelpass : Ampel will mehr Einbürgerungen
Die Bundesregierung will die Fristen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verkürzen und Mehrstaatigkeit generell zulassen.
Kürzere Fristen für die Einbürgerung, Akzeptanz der Mehrstaatlichkeit, Verzicht auf die Optionsregelung bei in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern: Die Bundesregierung will das Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren. "Wir brauchen das Gesetz, weil es unserem Land nutzt", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes am Donnerstag. Die Neuregelung mache Deutschland stärker, moderner und international wettbewerbsfähiger.
Bei Union und AfD stößt das Vorhaben auf energischen Widerspruch. Von einem "Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz" sprach Alexander Throm (CDU). Aber auch innerhalb der Ampel deutet sich Konfliktpotenzial an. FDP und Grüne sind sich nicht einig, wie mit ausländischen Transferleistungsempfängern umgegangen werden soll.
Am 23. Mai 2023 wurden in Hamburg zwölf neue Staatsangehörige der Bundesrepublik von Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, oben, 2. von rechts) begrüßt.
Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung, den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit zu erleichtern und zugleich einen Anreiz zur schnellen Integration zu schaffen. Vorgesehen ist unter anderem, bei Einbürgerungen künftig Mehrstaatigkeit generell hinzunehmen. Zugleich soll eine Einbürgerung in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher acht Jahren möglich sein, bei "besonderen Integrationsleistungen" auch schon nach drei Jahren.
Auch die für den automatischen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes ausländischer Eltern durch Geburt im Inland erforderliche Aufenthaltsdauer eines Elternteils in der Bundesrepublik soll von acht auf fünf Jahre verkürzt werden und die bisherige Optionsregelung vollständig entfallen.
Antisemitismus und Rassismus sollen eine Einbürgerung ausschließen
Voraussetzung für die Einbürgerung soll außerdem ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sein. Antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen sollen eine Einbürgerung ausschließen.
Für Innenministerin Faeser steht deshalb fest: "Wer sich antisemitisch betätigt, kann kein Deutscher werden." Dieses Stoppschild sei schon lange vor dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober im Gesetzentwurf verankert worden. Es gelte auch für alle, die Israel das Existenzrecht absprechen. "Sollte sich im weiteren Verfahren zeigen, dass es im Gesetz dazu Änderungsbedarf gibt, stehe ich dem ausdrücklich offen gegenüber", sagte die Ressortchefin.
Doppelte Staatsangehörigkeit in EU-Staaten
✅ Zulässig: In Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Tschechien, Ungarn und Zypern ist die doppelte Staatsangehörigkeit nach Angaben der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages (Stand 31. Mai 2023) zulässig.
⚠️ Eingeschränkt zulässig: Unterschiedlich stark eingeschränkt ist sie in Bulgarien, Lettland, der Slowakei, Slowenien, und Spanien zulässig.
❌ Unzulässig: In Estland, Litauen, den Niederlanden und Österreich ist die doppelte Staatsangehörigkeit den Angaben zufolge "grundsätzlich" unzulässig.
Filiz Polat (Grüne) sprach von Versäumnissen bei der Anerkennung der Lebensleistung von Migranten, wenn diese teils erst nach mehr als 20 Jahren eingebürgert würden. "Das wollen wir besser machen", kündigte sie an. Mehr als elf Millionen Menschen lebten derzeit in Deutschland ohne die deutsche Staatsangehörigkeit. 1,7 Millionen Menschen von ihnen hätten keinen deutschen Pass, "obwohl sie hier geboren sind".
Union spricht sich gegen "Turbo-Einbürgerungen" aus
Modern ist nach Ansicht von CDU-Mann Throm an dem Gesetz nichts. Es sei denn, man bezeichne den Verzicht auf eigene innerstaatliche Interessen zukünftig als modern, sagte er. Eine doppelte Staatsangehörigkeit hinzunehmen sei generell falsch, so der Unionsabgeordnete. Eine "Turbo-Einbürgerung" innerhalb von fünf oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar nur drei Jahren sei zudem zu kurz bemessen für die Prüffrist des Staates, "ob die Integration tatsächlich nachhaltig gelungen ist".
Gottfried Curio (AfD) warnte vor einer Verschleuderung der Staatsangehörigkeit. Die Regierung wolle durch deutlich abgeschwächte Bedingungen mehr Ausländer einbürgern. Sie gebe das klare Signal: "Niemand muss sich mehr integrieren." Durch eine "hinterhergeworfene Staatsbürgerschaft" werde das illegale Eindringen nach Deutschland noch attraktiver, sagte Curio.
Für Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erfolgt die Neuregelung "im Lichte unserer Interessen". Es würden schließlich Menschen gebraucht, "die nach Deutschland kommen, um hier von ihrer eigenen Arbeit zu leben und Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen". Wer aber als Ausländer von Sozialleistungen lebe, "wird künftig kein Staatsbürger mehr werden können", so der Minister weiter. Eine Verschleuderung der Staatsangehörigkeit sei für ihn nicht erkennbar, da die Anforderungen sogar gesteigert würden. Ausnahmen würden schließlich nur für Gast- und Vertragsarbeiter gelten, die ein ganzes Leben in Deutschland gearbeitet hätten.
Grüne und Linke warnen vor Ungerechtigkeiten
Das reicht den Grünen ebenso wie den Linken nicht aus. Bei der Einbürgerung dürfe es nicht zu Ungerechtigkeiten kommen, betonte Polat für die Grünen. Frauen, Rentner, Menschen mit Behinderungen oder solche, "die unverschuldet arbeitslos geworden sind", dürften nicht schlechter gestellt werden. "Das werden wir in den Beratungen berücksichtigen", kündigte Polat an.
Auch Gökay Akbulut (Linke) kritisierte die geplante Verschärfung bei der Sicherung des Lebensunterhalts. "Wer Sozialleistungen bezieht, darf kein Deutscher werden? Das lehnen wir ab", sagte sie. Einkommensverhältnisse dürften kein Kriterium dafür sein, wer den deutschen Pass bekommt.