Piwik Webtracking Image

Ampel will "Rückführung" erleichtern : Streit um schnellere Abschiebungen

Union und AfD reichen die Regierungsvorschläge zu leichteren Abschiebungen nicht aus. Die Linke beklagt Verschärfungen und auch die Grünen haben Vorbehalte.

01.12.2023
True 2024-02-01T19:07:55.3600Z
4 Min

Im ersten Halbjahr 2023 sind aus Deutschland 7.861 Menschen abgeschoben worden - fast 27 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum mit 6.198 Abschiebungen. Dem standen indes in der ersten Hälfte dieses Jahres 13.373 abgebrochene Abschiebeversuche entgegen. Da wundert es wenig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefs der Bundesländer im Mai vereinbarte, Gesetzesregelungen zu ändern, die Abschiebungen erschweren oder verhindern. Dazu in dem Beschluss vorgesehene Maßnahmen sind Teil des "Rückführungsverbesserungsgesetzes" der Bundesregierung, über das der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung beriet.

 

Foto: picture-alliance/dpa/Michael Kappeler

Polizeibeamte begleiten abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan im Jahr 2019 bei ihrer Abschiebung auf dem Flug nach Kabul.

Zum Kern des Gesetzentwurfs zählen erweiterte Durchsuchungsmöglichkeiten und die Ausdehnung des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage. Die Suche nach Dokumenten und Daten zur Identitätsklärung soll erleichtert werden, ebenso das Auffinden abzuschiebender Personen; dazu sollen in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsucht werden dürfen. Auch sollen Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, sofern nicht Familien mit Kindern unter zwölf Jahren betroffen sind. Anordnung und Fortdauer von Abschiebungshaft soll unabhängig von Asylantragstellungen möglich sein, Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben, Verstöße gegen solche Verbote als eigenständiger Haftgrund geregelt werden. Daneben enthält die Vorlage Maßnahmen etwa zur leichteren Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Für den Bereich der Organisierten Kriminalität soll ein unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung ausgestalteter Ausweisungstatbestand geschaffen werden, erleichtert werden soll die Ausweisung von Schleusern.

Innenministerin Faeser will auf "klare Regeln" setzen

Bei der Opposition fand die Vorlage in der Debatte keine Gegenliebe. Union und AfD kritisierten die Maßnahmen als unzureichend, und Die Linke beklagte eine massive Verschärfung. Während auch die Grünen Vorbehalte erkennen ließen, verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Entwurf dagegen als "umfangreichstes Gesetz zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Rückführungen, das eine Bundesregierung jemals vorgelegt" habe.

Damit Deutschland ein "solidarisches Land" sein könne, brauche es klare Regeln, betonte die Ressortchefin. Dazu gehöre, dass Menschen ohne Bleiberecht das Land verlassen müssen. Dabei gebe es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten, dies umzusetzen. Der Bund müsse einen rechtlichen Rahmen schaffen, der den Ländern einen möglichst effektiven Vollzug der Rückführungen ermöglicht. Die vorgesehenen Maßnahmen seien notwendig, um irreguläre Migration wirksam zu begrenzen.

Hendrik Hoppenstedt (CDU) beklagte, mit voraussichtlich deutlich mehr als 300.000 Asylantragstellern im laufenden Jahr befinde sich Deutschland in einer "akuten Migrationskrise". Deren Dimension werde der Regierungsentwurf trotz einiger richtiger Maßnahmen nicht gerecht. Zudem würden diese richtigen Maßnahmen durch Entscheidungen der Koalition konterkariert, die auf mehr Zuwanderung und mehr Anreize zur irregulären Migration zielten.

Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs

Ausreisegewahrsam verlängert: Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsam soll von zehn auf 28 Tage verlängert werden, um ein Untertauchen des Abzuschiebenden zu verhindern.

Erweiterte Durchsuchungsbefugnisse: Behörden sollen in einer Gemeinschaftsunterkunft auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des Ausreisepflichtigen durchsuchen können.

Ankündigungen dürfen unterbleiben: Abschiebungen sollen nicht angekündigt werden müssen, sofern nicht Familien mit Kindern unter zwölf Jahren betroffen sind.



Filiz Polat (Grünen) sagte, der Regierungsentwurf sehe Eingriffe in "elementare Grundrechte" wie das Recht auf Freiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung vor. Diese Eingriffe träfen nicht nur Straftäter, sondern Schutzsuchende und Geduldete insgesamt. Ihre Fraktion werde deshalb in den Beratungen genau prüfen, ob diese Grundrechtseingriffe gerechtfertigt seien. Die allermeisten Ausreisepflichtigen hätten aus vielfältigen Gründen eine Duldung, etwa weil sie nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können.

AfD kritisiert "Mikroveränderungen"

Bernd Baumann (AfD) beklagte dagegen, der Gesetzentwurf enthalte nur "winzigste Mikroveränderungen", weil die Regierungskoalition nicht wirklich abschieben wolle. Nur die AfD habe wirklich den Willen dazu. Auch brauche man einen lückenlosen Grenzschutz mit sofortiger Zurückweisung aller illegalen Migranten sowie Zentren außerhalb Europas, in denen überprüft werde, ob Schutzgründe vorliegen, sowie für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge Schutzzonen nahe ihrer Heimat.

Stephan Thomae (FDP) betonte, Abschiebungen seien die notwendige Vollendung einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung. Sei ein Asylantrag abgelehnt, müsse die Ausreise des Antragstellers folgen. Komme er dem nicht nach, müsse der Staat die Entscheidung umsetzen. Damit dies leichter werde, sehe der Gesetzentwurf mehr als 40 Einzelmaßnahmen vor.

Linke: Asylsuchende haben "nichts verbrochen"

Clara Bünger (Die Linke) kritisierte, die Koalition habe sich "dem gesellschaftlichen Druck von rechts unterworfen". Sie identifiziere Geflüchtete als Problem der Kommunen, doch werde der Gesetzentwurf keine Kommune entlasten, "aber Geflüchtete noch mehr entrechten und ihre Lebensumstände noch weiter verschlechtern". So solle Abschiebehaft massiv ausgeweitet werden, um Flüchtlinge leichter abschieben zu können. Dabei hätten Asylsuchende "nichts verbrochen, sondern nur einen Asylantrag gestellt".

Dirk Wiese (SPD) entgegnete, man müsse schauen, wo Hindernisse zum Scheitern von Abschiebungen führten. Ebenso wichtig wie das Gesetzespaket sei, dass die Bundesregierung einen Schwerpunkt auf mehr Migrationsabkommen mit Ländern lege, die die Rücknahme von Menschen bisher verweigern.