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Einwanderung : Dauerstreit um Migrationspolitik

Die hohen Flüchtlingszahlen fachen die Kontroverse um die deutsche Migrationspolitik weiter an. Innenministerin Faeser verteidigt im Bundestag den Koalitionskurs.

23.09.2023
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4 Min
Foto: picture alliance / Photoshot

Bootsmigranten bei ihrer Ankunft auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa.

Nicht erst die Bilder und Berichte über die mehr als 5.000 Bootsflüchtlinge, die Mitte September an einem einzigen Tag auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa angekommen sind, machen das Migrationsgeschehen zu einem Top-Thema in Europa. Auch in Deutschland ist es ein Dauer-Streitthema; hierzulande steigt die Zahl der Asylbewerber schon seit geraumer Zeit wieder an: Rund 218.000 Asylerstanträge waren es vergangenes Jahr, etwa 204.000 allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres. Kein Wunder also, dass die Migrationspolitik den Bundestag in dieser Woche an jedem Sitzungstag beschäftigte.

Bundesinnenministerin Faeser steht Rede und Antwort

Am Mittwoch nutzte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Regierungsbefragung im Plenum für den Hinweis, dass die Bundespolizei mit mobilen Teams an vielen Orten an den deutschen Grenzen kontrolliere. "Wir sind zurzeit sehr erfolgreich darin, unerlaubte Einreisen zu erkennen und zu unterbinden", fügte die Ressortchefin hinzu. Dazu gehöre auch, mehr Migrationsabkommen zu schließen. Nach dem Abkommen mit Indien stehe die Regierung mit Moldau und Georgien kurz vor dem Abschluss, sagte Faeser, die zugleich weitere Maßnahmen gegen Schleuserkriminalität ankündigte.

Am Donnerstag kam es in einer von der AfD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde zu einer scharfen Kontroverse über die Asylpolitik der Regierungskoalition, am Freitag stand ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur "spürbaren" Reduzierung der irregulären Migration (20/8404) erstmals zur Debatte. Darin fordert die Union neben Maßnahmen auf EU-Ebene unter anderem, die Liste der asylrechtlich sicheren Herkunftsstaaten um Georgien, Moldau, Indien sowie Tunesien, Marokko und Algerien zu erweitern, um Asylverfahren beschleunigt durchführen zu können. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Unionsfraktion alle Bundesaufnahmeprogramme einstellen. Daneben werden in der Vorlage etwa verkürzte Einbürgerungsfristen ebenso abgelehnt wie "Spurwechsel aus der irregulären in die reguläre Migration".

Kritik an Ampelkoalition

In der Aussprache hielt Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag der Ampelkoalition vor, die "Pull-Faktoren" ausgeweitet zu haben und mit ihrer Politik die illegale Migration zu befördern. Faeser betonte dagegen, man sei auf allen Ebenen gefordert, irreguläre Migration einzuschränken. Dabei liefere die Regierungskoalition substanzielle Lösungen. "Wir steuern und ordnen Migration", sagte die Ministerin.

In der Debatte am Donnerstag hielt Gottfried Curio (AfD) der Innenministerin vor, sie wolle "schon wieder Solidarität zeigen und die Migranten aus Lampedusa aufnehmen". Gebraucht würden aber keine solidarischen Aufnahmen. sondern ein sofortiger Stopp aller Aufnahmeprogramme. Zudem müsse Deutschland zumindest auf Zeit die Schutz- und Kontrollmaßnahmen an seiner Grenze wieder aufnehmen.

SPD spricht von "herausfordernder Situation"

Dirk Wiese (SPD) konstatierte, dass man in einer "herausfordernden Situation" sei. Ein Grund dafür sei, dass Deutschland mehr als einer Million Menschen aus der Ukraine Zuflucht vor dem russischen Angriffskrieg biete. Zugleich seien in diesem Jahr bislang 200.000 Menschen aus anderen Ländern gekommen. Die von der Union geforderte Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen gehe jedoch rechtlich nicht, sondern sei nur "Symbolpolitik".

Philipp Amthor (CDU) entgegnete, die Bundesregierung löse gerade in der Migrationspolitik die bestehenden Probleme nicht. Mit bis zu 600 illegalen Migranten am Tag und steigender Dunkelziffer seien die Zahlen einfach zu hoch. Benötigt würden flächendeckende Grenzkontrollen in Deutschland sowie weitere Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene. Man brauche einen "Systemwechsel" und müsse weg von der ungesteuerten Zuwanderung, die von der Koalition befördert werde.

Zahl der Asylanträge

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sind in Deutschland von Anfang Januar bis Ende August dieses Jahres 220.116 Asylanträge gestellt worden; davon waren 204.461 Erstanträge. im vergangenen Jahr lag die Zahl der Asylerstanträge laut Bamf insgesamt bei 217.774, im Jahr davor bei 148.233. Im Jahr 2020 betrug sie dem Amt zufolge noch 102.581 nach 142.509 im Vor-Corona-Jahr 2019.



Marcel Emmerich (Grüne) wies die Forderungen nach flächendeckenden stationären Grenzkontrollen in Deutschland zurück. Dabei handele es sich um "Placebopolitik". Auch an der deutsch-österreichischen Grenze mit stationären Kontrollen werde "heute faktisch niemand, der ,Asyl' sagt, zurückgewiesen". Dagegen arbeite die Koalition an Migrationsabkommen mit anderen Staaten. Dies sei ein Baustein für eine moderne Migrationspolitik und hier werde die Ampel liefern.

Auch Stephan Thomae (FDP) wandte sich gegen stationäre Grenzkontrollen, die die aufwändigste und eine zudem "veraltete Methode" seien. Mit einer "intelligenten Schleierfahndung", ausgeweitet durch Drohnen und Videotechnik, lasse sich eine viel bessere Überwachung des Grenzraums garantieren als durch stationäre Grenzkontrollen.

Clara Bünger (Die Linke) warf der Union vor, mit der Forderung nach einer Obergrenze rechtsstaatliche Grundsätze hinter sich zu lassen. Sie mahnte zugleich, das Recht auf Asyl zu verteidigen. Zudem müsse man darüber aufklären, "dass Menschen so lange fliehen werden, wie es bewaffnete Konflikte auf der Welt gibt". Dabei sei für die Aufnahme eine Infrastruktur zu schaffen, "um Menschen würdevoll unterzubringen".