Zuwanderung von Fachkräften : Fachkräfte gesucht
Regierung will modernes Einwanderungsrecht. Union kritisiert Bürokratiezuwachs.
Ein albanischer Krankenpfleger bereitet in der Neurochirurgie der Charité in Berlin eine Infusion vor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Großes vor. "Wir schaffen eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt", kündigte sie mit Blick auf den Gesetzentwurf "zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung" bei der ersten Lesung in der vergangenen Woche an. Das sei nötig, weil in Deutschland hunderttausende Fachkräfte in den verschiedenen Bereichen fehlten, so die Ministerin. Ihr Kabinetts- und Parteikollege Hubertus Heil (SPD) versprach, alle Register zur Arbeits- und Fachkräftesicherung zu ziehen. "Wenn wir das nicht tun, fehlen uns bis 2035 sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte", sagte der Bundesarbeitsminister. Dann werde der Mangel zur Wachstumsbremse. "Das werden wir nicht zulassen", machte Heil deutlich.
Keine Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen mehr nötig
Laut dem Gesetzentwurf soll es künftig ausreichen, im Ausland eine zweijährige Berufsausbildung absolviert zu haben und darüber hinaus mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen zu können, um in Deutschland arbeiten zu dürfen. Eine formale Anerkennung des im Heimatland erworbenen Abschlusses braucht es nicht, aber einen Arbeitsvertrag. Ohne eine solchen soll es jedoch auch einen Weg geben: Mit einer "Chancenkarte" sollen Ausländer mit einem über ein Punktesystem nachgewiesenen "guten Potenzial" einreisen und sich vor Ort einen Job suchen dürfen. Bei IT-Spezialisten ohne Hochschulabschluss soll es reichen, wenn sie "bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können".
Heftige Kritik an dem Entwurf kommt von der Union. Die Anforderungen an die Qualifikation der Zuwanderer zu reduzieren, führe lediglich zu einer Einwanderung von Minderqualifizierten, kritisierte Alexander Throm (CDU). Schon jetzt habe Deutschland eines der liberalsten Einwanderungsgesetze der Welt, sagte sein Fraktionskollege Marc Biadacz (CDU) mit Blick auf die 2019 von der Großen Koalition verabschiedete Regelung. Wenn aber der Visaantrag für eine dringend benötigte Fachkraft sechs Monate bei den deutschen Behörden festhänge, könne weder das Unternehmen noch die Fachkraft etwas tun. "Kümmern Sie sich darum, die Verfahren zu beschleunigen, statt zusätzliche bürokratische Strukturen zu schaffen", forderte Biadacz.
Unterschiedliche Auffassungen gab es auch in der Frage, warum viele Fachkräfte "einen Bogen um Deutschland machen", wie es Dirk Wiese (SPD) formulierte. Hauptgrund sei die fehlende Willkommenskultur. Laut Studien fehle es ausländischen Fachkräften an sozialer Integration. Zwei Drittel hätten zudem im Alltag auch Diskriminierungserfahrungen gemacht, sagte er.
Katharina Dröge (Grüne) stimmte dem zu und kritisierte die Union. "Wenn man ein modernes Einwanderungsland sein will, gehört es dazu, dass man Menschen, die hierhinkommen, um hier zu arbeiten, auch Perspektiven bietet". Dann könne man nicht vom "Verramschen von Pässen" sprechen, sagte sie. Damit würden Stimmungen gegen Menschen geschürt, "die schon lange hier zu unserem Gemeinwesen beitragen". Eine solche Kultur sei es, die schließlich dazu führe, dass sich Fachkräfte eher für andere Länder entscheiden würden.
Aus Sicht von Gerrit Huy (AfD) hat das aber andere Gründe. "Sie können woanders viel mehr Nettoeinkommen erzielen", sagte sie. Deutschland hingegen sei laut OECD bei Steuern und Sozialabgaben Vizeweltmeister. Die schlechter werdende Sicherheitslage in den Städten, das mangelhafte Schulsystem, der Wohnraummangel und hohe Mieten täten ein Übriges. "Woanders lebt es sich inzwischen einfach besser", sagte die AfD-Abgeordnete. Das merkten auch immer mehr Deutsche, die das Land "in Scharen" verlassen würden. "Im letzten Jahr allein 185.000." Die zu erwartenden minderqualifizierten Einwanderer würden sich langfristig wohl eher im deutschen Sozialsystem zu Hause fühlen, sagte sie.
Gegen eine "ökonomisierte Sichtweise auf Migration" wandte sich Gökay Akbulut (Die Linke). Einwanderung solle erleichtert werden, "weil sie aus demografischen Gründen nützlich ist und weil die Wirtschaft Fachkräfte braucht", sagte sie. Dabei würden Menschen zu nützlichen Ressourcen nach Punktesystem degradiert. Das sei nicht akzeptabel, befand die Linken-Abgeordnete.
Deutschland muss den Rückstand auf klassische Einwanderungsländer aufholen. Doch die Politik tut sich trotz lauter Hilferufe von Wirtschaftsverbänden schwer.
Linken-Fraktionsvize Susanne Ferschl über die Notwendigkeit der Fachkräfteeinwanderung und mögliche Gefahren für den Arbeitsmarkt.
Der CSU-Abgeordnete aus dem Ostallgäu kümmert sich im Bundestag um die Themen Arbeit und Soziales. Er sieht viele Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel zu begegnen.
"Wir müssen den Standort Deutschland verbessern", forderte Lukas Köhler (FDP). Rein aus wirtschaftlicher Perspektive sei Deutschland gezwungen, ein Einwanderungsland zu sein. Die Union, so kritisierte der FDP-Abgeordnete, versuche aber immer noch den Anschein zu erwecken, dass allein durch Zuwanderung aus der EU sich das durch den demografischen Wandel ergebende Problem lösen lasse. "Das ist Wahnsinn. Das wird nicht funktionieren", betonte Köhler.
FDP: In Deutschland gibt es einen Arbeitskräftemangel
Benötigt würden auch Menschen aus dem außereuropäischen Ausland, sagte er. Schon längst gebe es keinen reinen Fachkräftemangel, sondern einen Arbeitskräftemangel. "Wir haben überall zu wenig Menschen, die in gut bezahlten Jobs arbeiten können", konstatierte der FDP-Abgeordnete. Zugleich kündigte er an, die Regierungsvorlage im parlamentarischen Verfahren "noch besser" machen zu wollen.
Der Gesetzentwurf wurde im Anschluss an die Debatte an den Ausschuss für Inneres und Heimat zur weiteren Beratung überwiesen.