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Öffentliche Anhörung im Kontrollgremium : Geheimdienste warnen vor Spionage aus Russland und China

In der Befragung durch Abgeordnete warnen die Chefs von BND, MAD und Verfassungsschutz vor der Gefahr, die von Russland und vor allem China ausgeht.

24.10.2022
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Gesellschaft und Politik in Deutschland haben nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden Warnungen vor den von Russland, aber auch China ausgehenden Gefahren zu lange ignoriert. So lautete der Tenor in einer öffentlichen Anhörung der Spitzenvertreter der Nachrichtendienste des Bundes durch das Parlamentarische Kontrollgremium am vergangenen Montag. Der jährliche Termin mit den Präsidentinnen und Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) fand zum sechsten Mal statt.

Bedrohung wurde lange nicht ernst genommen

BND-Präsident Bruno Kahl nannte den Angriffskrieg gegen die Ukraine eine "Zäsur", die aber "nicht wirklich" überrascht habe. Es sei eingetreten, wovor seine Behörde über Jahre hinweg gewarnt habe, dass Russlands Präsident Wladimir Putin weiterhin bereit sei, Gewalt anzuwenden, um seine Ziele zu erreichen, und dass sich an diesen Zielen auch nichts geändert habe. "Bedauerlicherweise" sei es im öffentlichen Diskurs der letzten Jahrzehnte üblich gewesen, Bedrohungen zu ignorieren und Warnungen als Panikmache abzutun.


„Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.“
Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang

Kahl räumte ein, dass Putin bei anhaltenden Misserfolgen einer konventionellen Kriegsführung in die Versuchung geraten könnte, "substrategische" Kernwaffen einzusetzen, um die Ukraine an den Verhandlungstisch zu zwingen und einen Diktatfrieden durchzusetzen. Allerdings gebe es dafür derzeit keine Anhaltspunkte.

Eine erhebliche Bedrohung sei auch von einem "zur Globalmacht aufsteigenden autokratischen China" zu befürchten, warnte Kahl. Wirtschaft, Gesellschaft und Politik seien in dieser Hinsicht bisher ebenfalls zu vertrauensselig gewesen und hätten sich in eine "schmerzhafte Abhängigkeit" begeben von einer Macht, die "auf einmal nicht mehr wohlgesonnen" erscheine. Gemeinsam mit dem BfV bemühe sich der BND seit fünf Jahren, in Wirtschaft und Wissenschaft das Bewusstsein für die von China ausgehenden Risiken zu schärfen.

Russische Desinformationskampagnen gefährden politischen Raum

BfV-Präsident Thomas Haldenwang betonte, nach dem Überfall auf die Ukraine sei zu erwarten, dass die "Hemmschwelle für nachrichtendienstliche Operationen" weiter sinken werde. In Zukunft sei damit zu rechnen, dass die russische Spionage "noch mehr konspirativ" vorgehe. Eine "Bedrohung im politischen Raum" seien zudem Desinformations- und Einflusskampagnen sowie "von russischen Stellen verbreitete prorussische Narrative", von denen zu erwarten sei, dass sie noch "deutlich offensiver und aggressiver" würden. Hier nutze Russland alle Kanäle der Verbreitung von Falschmeldungen.

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Auch Haldenwang gab zu verstehen, dass auf die Dauer die weit erheblichere Bedrohung deutscher Sicherheit und deutscher Interessen von China ausgehe: "Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel."

Bundeswehr ist zunehmend Ziel von Spionage

Die Präsidentin des MAD Martina Rosenberg berichtete, dass ihre Behörden schon "seit vielen Jahren" russische Spionagetätigkeit "auf hohem Niveau" beobachte. Ausgespäht würden Verteidigungsstrukturen und Zukunftsplanung der Bundeswehr, die Rüstungsindustrie, jetzt auch Waffenlieferungen an die Ukraine sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland. So sei neuerdings festzustellen, dass Bundeswehr-Standorte, wo solche Schulungen stattfinden, oft von Drohnen überflogen werden. Die Bundeswehr sei auch Ziel russischer Desinformationskampagnen in osteuropäischen Nato-Staaten, wo sie mit Truppen präsent ist. Hier gebe es Versuche, mit Falschmeldungen das Vertrauen der Bevölkerung in die Nato zu untergraben.