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Migrationspolitik unter Druck : Heftiger Streit im Bundestag über deutsche Migrationspolitik

Die hohen Flüchtlingszahlen sorgen für starken Druck auf die Ampelkoalition. Deren Vertreter verteidigen im Bundestag den Regierungskurs.

30.09.2023
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3 Min

Gut 204.000 Asylerstanträgen von Januar bis August dieses Jahres nach fast 218.000 im Gesamtjahr 2022, während zugleich mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen das Land in der Bundesrepublik aufgenommen wurden: Diese Zahlen setzen die deutsche Migrationspolitik gewaltig unter Druck. Im Bundestag erörterte erst der Innenausschuss am Mittwoch mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Lage, am Donnerstag kam es dann in zwei aufeinander folgenden Plenardebatten zu dem Thema erneut zu einem heftigen Schlagabtausch.

Im Innenausschuss berichtete Faeser, dass sie zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität an diesem Tag in Ergänzung der Schleierfahndung zusätzliche flexible Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien angeordnet habe. Auch informierte sie über die Einrichtung einer Taskforce mit Tschechien gegen Schleuserkriminalität.

Foto: picture alliance/dpa/zema-medien

Am Dienstag entdeckte die Polizei bei Pocking in Bayern 43 Flüchtlinge in einem Kleintransporter.

Am Donnerstag standen zunächst zwei Anträge der AfD-Fraktion zur Migrationspolitik auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums. Mit 603 gegen 75 Stimmen wies das Parlament dabei einen AfD-Antrag auf einen "Elf-Punkte-Plan zum Schutz der Grenzen und vor unregulierter Massenmigration" bei einer Enthaltung zurück. Darin forderte die AfD die Bundesregierung auf, zur Verhinderung illegaler Grenzübertritte nach Deutschland "sofortige temporäre stationäre Grenzkontrollen zur durchgehenden Sicherung der Landgrenzen" einzuführen und "Gewahrsamszentren unmittelbar an den Grenzen zur Sicherung sofortiger aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen einzurichten". Erstmals debattierte das Parlament in der Aussprache zudem über einen weiteren AfD-Antrag (20/8156), die "Befugnisse der Bundespolizei bei Abschiebungen zur Bewältigung der Massenmigration" zu stärken.

»Kontrollverlust«

Dabei ging es kaum weniger hoch her als in der anschließenden, von der Union beantragten Aktuellen Stunde zu einem "Deutschland-Pakt zum Stopp der irregulären Migration". Dabei warf Alexander Dobrindt (CSU) der Regierung vor, keine stationären Grenzkontrollen bei der EU zu notifizieren, weil es dann Zurückweisungen an den Grenzen geben würde. Die Ampel wolle aber keine Zurückweisungen: "Sie wollen die illegale Migration an dieser Stelle nicht stoppen."

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte, den Menschen in der Grenzregion seines Landes biete sich angesichts täglich auftauchender Schleuserfahrzeuge und orientierungslos herumirrender Flüchtlinge ein "Bild von Kontrollverlust". Gebraucht würden Schleierfahndung plus Grenzkontrollen schon zur Gefahrenabwehr für die Geschleusten. Beim Unfall eines Schleuserfahrzeuges habe es eine Tote und Schwerverletzte gegeben, und vergangene Woche sei ein Schleuserfahrzeug aufgebracht worden "mit einem 15-jährigen Fahrer und hinten 40 Menschen".

Gottfried Curio (AfD) kritisierte, die Bundesregierung sei an einer Lösung der Migrationskrise nicht interessiert. Andernfalls hätte sie die freiwilligen Aufnahmeprogramme eingestellt und nicht "einen neuen Pull-Faktor nach dem anderen auf den Weg gebracht". Martin Hess (AfD) warb für eine "Festung Europa". Derzeit erlebe man bei der Migration keinen Kontrollverlust, sondern einen Kontrollverzicht.

Uli Grötsch: AfD will Bundespolizei zur »Abschiebepolizei« machen

Uli Grötsch (SPD) hielt im Gegenzug der AfD vor, sie wolle die Bundespolizei zur "Abschiebepolizei" machen und für ihre Politik instrumentalisieren. Dagegen arbeite die Regierungskoalition ernsthaft an diesem Thema und sei dabei auf einem guten Weg. So arbeite sie an schnelleren Asylverfahren und werde die Schleuserkriminalität verstärkt bekämpfen. Dirk Wiese (SPD) verwies darauf, dass bei den Verabredungen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten im Mai wichtige Schritte auf den Weg gebracht worden seien, die gerade abgearbeitet würden.

Grüne: Tonlage der Union ist "destruktiv"

Konstantin von Notz (Grüne) beklagte, die "destruktive" Tonlage der Union helfe bei der Lösung der Herausforderungen in der Migrationspolitik "0,0 Prozent weiter". Gebraucht würden etwa europäische Verteilmechanismen, mehr Geld für die Kommunen und faire Migrationsabkommen. Diesen Weg gehe die Ampel, während die Union "nichts auf der Pfanne" habe. Wie Notz plädierte Marcel Emmerich (Grüne) dafür, Arbeitsverbote für Flüchtlinge abzuschaffen.

Manuel Höferlin (FDP) betonte, die Koalition reagiere auf den hohen Migrationsdruck mit einer Fülle von Maßnahmen. Dazu zählten etwa eine Entlastung durch mehr sichere Herkunftsländer und Migrationsabkommen mit anderen Staaten. Es sei notwendig, irreguläre Migration zu reduzieren und mehr reguläre Migration zu erleichtern. Dies habe die Ampel eingeleitet.

Clara Bünger (Linke) warf der Union vor, statt kluge Vorschläge für alle Menschen in Deutschland zu machen, hetze sie gegen eine Minderheit von weniger als vier Prozent. Mehr Geflüchtete gebe es nämlich nicht in Deutschland. Die von der Union geforderte Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme sei unmenschlich und rechtswidrig.