Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht : Kontroverse Debatte über brutale Krawalle
Die Fraktionen des Bundestages verurteilen die Randale in der Silvesternacht und fordern Konsequenzen.
In der entschiedenen Verurteilung der Silvesterkrawalle, bei denen es in einer Reihe deutscher Städte zu Angriffen auf Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gekommen ist, waren sich Regierungskoalition und Opposition vergangene Woche im Bundestag ebenso einig wie im Ruf nach einer entsprechenden Bestrafung der Täter. Zugleich kam es in der von der CDU/CSU beantragten Debatte zu einer harten Kontroverse über die Ursachen und weiteren Konsequenzen der Attacken auf die Einsatzkräfte. Zuvor hatte sich bereits der Innenausschuss mit den Ausschreitungen vom Jahreswechsel befasst, bei denen Sicherheits- und Rettungskräfte unter anderem mit Feuerwerkskörpern beschossen worden waren.
Union sieht in Gewaltausbruch Respektlosigkeit gegenüber dem Staat
Alexander Throm (CDU) unterstrich in der stark vom Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus geprägten Debatte, dass der Gewaltausbruch an Silvester die Respektlosigkeit zeige, die in Teilen der Gesellschaft gegenüber dem Staat und seinen Repräsentanten bestehe. Dazu sei es in vielen Städten und vor allem Großstädten gekommen, doch habe Berlin eine "unrühmliche Spitze" ausgemacht. Bei den Tätern handele es sich überwiegend um junge Männer mit Migrationsgeschichte, weshalb man auch über das Thema Integration sprechen müsse. Dabei dürfe man nicht nur die "millionenfach gelungenen Integrationen in Deutschland" loben, sondern müsse auch die Probleme ansprechen, um die Ursachen angehen zu können, mahnte Throm. Jan-Marco Luczak (CDU) warb für eine Strafschärfung in Fällen, in denen etwa Helfer in einen Hinterhalt gelockt werden, da man bei erhöhten Mindeststrafen Personen eher in Untersuchungshaft nehmen und auch schneller verurteilen könne.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), betonte, die Täter müssten nach ihren Taten beurteilt werden "und nicht nach ihren Vornamen". Wer echte Problemlösungen wolle, müsse an die Ursachen von Jugendgewalt. Ethnie, Herkunft oder Religion erklärten nichts, sondern die sozialen Verhältnisse, in denen Menschen leben, fügte die Staatsministerin hinzu. Bei Integration gehe es nicht nur um geografische Herkunft oder Einwanderungsgeschichten, sondern auch um Chancen, Teilhabe und Perspektiven sowie um den "Respekt vor unserer Werteordnung" und den Vertretern des Staates.
Gottfried Curio (AfD) sagte, die Silvesternacht zeige die "grundsätzliche Verachtung mancher Migranten gegenüber dem deutschen Staat.". Wer das Problem an der Wurzel packen wolle, müsse angesichts der "hohen Kriminalitätsrate migrantischer Gruppen endlich dementsprechend handeln", geplante "Einwanderungspakete" ad acta legen, ein Aktionsprogramm gegen Ausländerkriminalität auflegen, Straftäter mit abgelehntem Asylantrag dauerhaft abschieben und "nicht immer weitere Hochrisikogruppen ins Land holen".
Bundesjugendministerin Lisa Paus (Grüne) warb dafür, das vom Bundesinnenministerium angekündigte Lagebild abzuwarten und dann die Tatsachen zu bewerten. Vorschnelle Bewertungen und Vorverurteilungen spalteten die Gesellschaft. Der Rechtsstaat sei deshalb stark, weil er individuelle Schuld aufarbeite und "nicht pauschal vorverurteilt nach Aussehen oder wie jemand mit Vornamen heißt".
Gökay Akbulut (Linke) warf der Union vor, die Ausschreitungen für "Stimmungsmache" gegen Migranten zu instrumentalisieren. Dass es in den meisten Städten mit vielen Migranten weitestgehend ruhig geblieben sei, interessiere die Union nicht. Ohne jedes Fachwissen wolle sie einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität konstruieren.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mahnte, der Rechtsstaat müsse zeigen, dass er wehrhaft sei. Wer Sachbeschädigung begehe, andere Menschen verletze oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leiste, den könne man "für mehrere Jahre ins Gefängnis stecken". Hier gebe es kein Gesetzgebungsdefizit. "Wenn es ein Defizit gibt, dann ist es ein Gesetzdurchsetzungsdefizit", betonte der Ressortchef. Auch Stephan Thomae (FDP) wandte sich gegen Strafschärfungen. Zugleich wies er die "furchtbare Vereinfachung" zurück, dass "Migration und Kriminalität sozusagen ein- und dasselbe" seien. Dies sei das Geschäftsmodell der AfD.
Uli Grötsch (SPD) sagte, bei den Verdächtigen in Berlin handele es sich überwiegend um junge Männer mit Migrationshintergrund, doch dürfe man nicht die 1,4 Millionen Berliner mit Migrationshintergrund über einen Kamm scheren.
Grüne: Union zeigt mit Finger auf Menschen mit Migrationshintergrund
Lamya Kaddor (Grüne) kritisierte, die Union habe bald nach der Silvesternacht die Vornamen der Täter wissen wollen, weil ihr die Auskunft nicht ausgereicht habe, dass es sich um junge, alkoholisierte Männer gehandelt habe. Die CDU/CSU zeige mit dem Finger auf Menschen mit Migrationshintergrund, ohne zu merken, dass mindestens jede vierte Person in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte habe. Auch verkenne die Union, dass während der Silvesterkrawalle auf beiden Seiten Männer mit Migrationshintergrund gestanden hätten.