Editorial : Profil und Akzeptanz
Über das Einbürgerungsrecht lässt sich trefflich streiten. Die Tonalität der Debatte sollte dabei aber gewahrt bleiben.
Selbst zwei Jahrzehnte danach ist die Kampagne gegen den Doppelpass in der SPD-Hessen nicht vergessen. Mit seinen Unterschriftslisten gelang Roland Koch (CDU) 1999 ein überraschender Wahlsieg über Hans Eichel (SPD). Die Wahlkampfstände der Union wurden belagert von Menschen, die sich mit ihrem Namen gegen das rot-grüne Staatsbürgerschaftsrecht aussprachen. Zuwanderung, Bleiberecht und die Frage, wer den deutschen Pass erhalten kann, polarisieren auch 20 Jahre später. Die Debatten wurden früher so geführt, dass dies so bleibt. Den Reflex hierfür gibt es noch.
Da will die eine Seite den "konservativen Muff" abschütteln, wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die geplanten Reformen begründet. Die andere Seite warnt davor, den deutschen Pass zu "verramschen", wie der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagt. Man ahnt, Profilgewinnung und Mobilisierung der Anhängerschaft spielen in dieser Debatte weiter eine Rolle. Es sind Themen, bei denen die Unterschiede der Parteien deutlich werden. Themen, bei denen es auch in der Bevölkerung klare Meinungen gibt. Es ist kaum vorwerfbar, dass Parteien dies zur Profilbildung aufgreifen. Gerade in ihrer Unterschiedlichkeit liegt der Wert politischer Parteien und einer pluralen Gesellschaft.
Respekt in der Debatte
Das jetzt beschlossene Chancen-Aufenthaltsgesetz reformiert das Bleiberecht und soll der erste Schritt zu einer neuen Asyl- und Migrationspolitik sein. Ziel: Ein neues Einwanderungsrecht. Die Verabredung hierfür haben SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag getroffen. Die Umsetzung hat nun begonnen und im Plenum war man bemüht, Profilbildung mit Akzeptanz zu verbinden. Die gegenteilige Position tolerieren, auch wenn man sie nicht teilt. Man kann dies auch Respekt nennen.
Eine so geführte Debatte könnte auch helfen, die Akzeptanz eines neuen Einwanderungsrechts zu stärken und Entgleisungen zu verhindern. Überliefert ist, dass in Hessen 1999 einige nur mal "gegen die Ausländer unterschreiben" wollten. Respekt im Umgang miteinander, dafür steht die kritische Opposition genauso in Verantwortung wie die Mehrheit, die gestalten kann. Für das Einwanderungsrecht ist Innenministerin Nancy Faeser zuständig, sie dürfte ein besonderes Interesse daran haben, dass die Tonalität nicht aus dem Ruder läuft. Faeser ist auch Vorsitzende der SPD in Hessen und dort stehen 2023 Landtagswahlen an.