Rechtsterrorismus : Stiftung zu Erinnerung an NSU-Komplex gefordert
Der Bundestag hat erstmals über einen Vorstoß von SPD und Grünen zur Errichtung einer Stiftung "Gedenken und Dokumentation NSU-Komplex" beraten.
Als 2011 die Terrorserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) ans Licht kam, zeigte sich die Republik erschüttert wie selten zuvor: Auf das Konto der Rechtsterroristen gingen die Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie einer deutschen Polizistin, dazu Bombenanschläge sowie Bank- und Raubüberfälle. Dabei zogen Polizeien und Staatsanwaltschaften ein rassistisches Motiv lange nicht in Erwägung, wie jetzt SPD und Grüne mit einem Gesetzentwurf "zur Errichtung der Stiftung Gedenken und Dokumentation NSU-Komplex" in Erinnerung rufen.
Nach 2011 hätten justizielle, behördeninterne und zivilgesellschaftliche Aufarbeitungsprozesse sowie 15 parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu Erkenntnissen über die Terrorgruppe und Fehler der Sicherheitsbehörden geführt, konstatieren die beiden Fraktionen in der Vorlage. Bis heute gebe es indes bundesweit "keinen Erinnerungs- oder Lernort", der sich explizit mit der Geschichte des NSU und der des Rechtsterrorismus nach 1945 auseinandersetzt.
"Strukturelle Lücke in der Erinnerungslandschaft" beklagt
Die Geschichte des Rechtsterrorismus auf deutschem Staatsgebiet einschließlich demjenigen der ehemaligen DDR seit 1945 sei nach wie vor nicht im kollektiven Gedächtnis verankert, schreiben die beiden Fraktionen weiter. Das gelte auch für die Geschichte der 1990er Jahre in den ostdeutschen Bundesländern, "die als sogenannte ,Baseballschläger'-Jahre mitsamt dem ,Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit' zur Entstehung des NSU beigetragen haben". Hier bestehe eine strukturelle Lücke in der Erinnerungslandschaft der Bundesrepublik.
Dem soll die angestrebte Stiftung entgegenwirken. Der Vorlage zufolge soll sie die kritische Aufarbeitung des NSU-Komplexes, eingebettet in die Geschichte des Rechtsterrorismus nach 1945, fördern, neue Wege der historisch-politischen Wissensvermittlung im gesamten Themenkomplex erarbeiten und das Gedenken an die Opfer und Überlebenden des NSU-Komplexes im kollektiven Gedächtnis verankern.
SPD: Errichtung der Stiftung ist "überfällig"
Im Bundestag, der am Donnerstagabend erstmals über den Vorstoß debattierte, bezeichnete Helge Lindh (SPD) die Errichtung der Stiftung als "überfällig" und "zwingend notwendig". Sie müsse ausdrücken, "dass die Opfer und Angehörigen Teile von uns sind" und "ihr Leid unser Leid ist". Volker Ullrich (CSU) sprach von der Verpflichtung, "Rechtsterrorismus zu brandmarken und einer Erinnerung zuzuführen". Dies sei man auch den Opfern schuldig, sagte Ullrich und warb für eine "gemeinsam getragene Beschlussempfehlung" zu dem Vorstoß.
Misbah Khan (Grüne) warnte unter Verweis auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie den Anschlägen von Halle, Hanau und München, der NSU sei "Geschichte, aber der rechte Terror lebt". Benjamin Strasser (FDP) sagte, seine Partei habe sich in den Koalitionsverhandlungen sehr für die Stiftung eingesetzt, bei deren Arbeit die Opferperspektive in den Mittelpunkt zu stellen sei.
Götz Frömming (AfD) fragte, ob es eine solche Stiftung auch zu den Opfern der linksterroristischen "Rote Armee Fraktion" oder des islamistischen Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz gibt, und plädierte dafür, "das ganze Feld in den Blick zu nehmen".