Begrenzung irregulärer Migration : Union kündigt der Ampel den "Deutschlandpakt" auf
Union und AfD reichen die Asylbeschlüsse von Bund und Länder nicht aus. Lobende Worte für die Ergebnisse kommen im Bundestag aus Reihen der Koalition.
Flüchtlinge an einer der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung: Überall im Land stehen Kommunen vor der Herausforderung, die Menschen unterzubringen.
Die Länder und Kommunen stoßen bei der Aufnahme von Geflüchteten an ihre Grenzen, sind überlastet und fühlen sich vom Bund alleingelassen. Eine nicht mehr neue Erkenntnis, die die politischen Ebenen schon seit Monaten beschäftigt - auch den Bundestag, wo das Thema regelmäßig auf der Tagesordnung steht. So auch am vergangenen Mittwoch. Auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion fand eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Jetzt entschiedene Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration treffen" statt.
Bereits einen Tag zuvor, am Dienstag, hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz mit den Landeschefs darauf verständigt, Leistungen für Asylbewerber zu kürzen, Asylverfahren schneller abzuwickeln und Grenzkontrollen fortzuführen. Zudem soll der Bund ab 2024 jährlich eine Pauschale von 7.500 Euro pro Flüchtling zahlen. Scholz bezeichnete die Einigungen als einen "historischen Moment" und betonte: "Unser gemeinsames Ziel ist es, die irreguläre Migration zurückzudrängen".
Seit Monaten bereits hatten die Länder und Kommunen den Bund zu mehr Unterstützung und finanziellen Hilfen gedrängt. Es mangele nicht nur an Geld für die Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten, es fehlten auch Wohnungen und Integrationsmöglichkeiten wie Sprachkurse.
Die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels
Kosten für Versorgung: Ab 2024 zahlt der Bund eine Pauschale von jährlich 7.500 Euro pro Asylbewerber.
Bezahlkarte statt Bargeld: Geflüchtete sollen einen Teil ihrer Leistungen zukünftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte und nicht mehr als Bargeld ausgezahlt bekommen.
Leistungsansprüche später: Erst nach 36 Monaten - und nicht wie bisher nach 18 Monaten - sollen Asylbewerber zukünftig Anspruch auf Bürgergeld haben.
Familiennachzug unverändert: Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wird nicht ausgeweitet.
286.638 Asylanträge wurden allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres in Deutschland gestellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 57,8 Prozent. Hinzukommen rund 1,1 Millionen Schutzsuchende aus der Ukraine, die seit Beginn des russischen Überfalls im Februar 2022 in Deutschland leben. Da sie keinen Antrag auf Asyl stellen müssen, kommen sie in der Statistik nicht vor.
Kritischer zu den Ergebnissen des Bund-Länder-Treffens äußerten sich hingegen einige CDU-Landeschefs. So bewertete beispielsweise der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Hendrik Wüst, die geplanten Änderungen als unzureichend. CDU-Parteichef Friedrich Merz ging sogar noch weiter: Er warf dem Kanzler mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Opposition vor. Als Folge erklärte Merz die Bemühungen um einen "Deutschlandpakt" zur Migration für beendet.
Koalition kritisiert mangelnde Gesprächsbereitschaft von CDU-Chef Merz
In der Aktuellen Stunde bezeichnete Stephan Thomae (FDP) es im Plenum als "enttäuschend und bedauerlich", dass Merz den "Deutschlandpakt" aufgekündigt habe und weitere Gespräche mit Bundeskanzler Scholz dazu ablehne. Thomae plädierte dafür, Asylanträge zukünftig bereits in Drittstaaten prüfen zu lassen. Auch Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte sich zu den Forderungen der Union und kritisierte, dass die Partei das Land mit ihren "Scheinlösungen" spalte. "Migration ist eine der größten politischen Herausforderungen der Zeit, für die es nicht die eine Lösung gibt", betonte die Abgeordnete.
Ähnlich argumentierte Dirk Wiese (SPD): "Es gibt nicht den einen Schalter, den man umlegen muss und plötzlich hat sich die Situation in eine Richtung entwickelt". Wichtig sei, die ankommenden Menschen zu integrieren und so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen. Laut Wiese haben 23 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Die meisten seien eine große Chance für dieses Land.
"Deutschland befindet sich in einer schweren Migrationskrise", konstatierte hingegen für die CDU/CSU-Fraktion Thorsten Frei (CDU). Er befand, dass die Verschärfung der Krise ein Resultat der Politik der Ampel-Regierung sei. Denn diese habe die Möglichkeiten des Familiennachzugs und Bleibemöglichkeiten für abgelehnte Asylbewerber ausgeweitet.
Kritik am Bund übte auch Clara Bünger (Die Linke). Anstatt zu unterstützen, nehme der Bund drastische Leistungskürzungen vor. Dass es in Deutschland an bezahlbaren Wohnungen, guten Schulen und einer ordentlichen Gesundheitsversorgung mangele, sei die Folge von neoliberaler Politik und nicht die Schuld der Geflüchteten, betonte Bünger.
Gottfried Curio (AfD) bezeichnete die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz als "Augenwischerei". "Rückführungsabkommen gibt es nicht, lückenloser Grenzschutz Fehlanzeige", monierte der AfD-Abgeordnete und forderte effektive Abschiebungen, die Beseitigung aller "Pull-Faktoren" und den Stopp der illegalen Migration. "Niemand ist mehr auf der Flucht, nachdem er das erste sichere Nachbarland erreicht hat", sagte Curio.