Asyldebatte im Bundestag : Bewegung in der Migrationspolitik
In der Migrationspoloitik scheinen sich die "Ampel" und die CDU/CSU-Opposition anzunähern. Zwei weitere Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.
Flüchtlinge am Mittwoch in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. Länder und Kommunen klagen über erschöpfte Kapazitäten bei der Unterbringung von Asylbewerbern.
Nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen vom vergangenen Sonntag zeichnet sich beim Dauerstreit um die deutsche Migrationspolitik Bewegung ab. Am Freitagabend wollte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), und dessen niedersächsischem Amtskollegen Stephan Weil als Vertreter der SPD-geführten Länder sowie mit CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) zu einem Spitzengespräch zur Asylpolitik treffen. Direkt davor war dies Top-Thema der zweitägigen MPK-Beratungen dieser Woche.
Bereits am Mittwoch hatte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erleichterte Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge angekündigt, während Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen seit längerem diskutierten Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Rückführung" präsentierte. Einen Tag danach beriet der Bundestag in zwei aufeinander folgenden Plenardebatten über die Migrationspolitik. Zunächst ging es dabei um die Forderung nach Bezahlkarten für Flüchtlinge zur Stärkung des Sachleistungsprinzips (Beitrag unten), danach stand in erster Lesung der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung von Georgien und der Republik Moldau als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten auf der Tagesordnung.
Anerkennungsquote von 0,1 Prozent
Wie die Bundesregierung darin darlegt, betrug die Anerkennungsquote bei Asylantragstellern aus Georgien und Moldau im Jahr 2022 jeweils rund 0,1 Prozent. Durch die Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten würden Asylverfahren ihrer Staatsangehörigen schneller bearbeitet. Im Anschluss an eine negative Entscheidung über den Asylantrag könne ihr Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden. Die Bundesrepublik werde dadurch als Zielland für aus nicht asylrelevanten Motiven gestellte Asylanträge weniger attraktiv. Der Individualanspruch auf Einzelfallprüfung für Asylantragsteller aus Georgien und der Republik Moldau bleibe dadurch unberührt.
Bei Staaten, die als sicher bestimmt werden, wird gesetzlich davon ausgegangen, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann, wie die Bundesregierung in der Begründung ausführt. Die Bestimmung als sicherer Herkunftsstaat habe für das Asylverfahren zunächst die Folge, "dass vermutet wird, dass in diesem Staat keine Verfolgungsgefahr vorliegt". Es gelte jedoch auch für Asylverfahren aus sicheren Herkunftsstaaten, dass der Antragstellende angehört wird und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, individuelle Gründe vorzubringen, die gegen die vermutete Verfolgungssicherheit sprechen.
Ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion mit gleicher Zielrichtung vom Juni 2023 stand nicht auf der Tagesordnung des Plenums, nachdem am Vortag im Innenausschuss die abschließende Beratung der Vorlage mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit vertagt wurde. An dieser Mehrheit plus den Stimmen der Linksfraktion scheiterte auch ein Plenarantrag der Unionsfraktion auf sofortige Sachentscheidung über die Regierungsvorlage.
Ankunft und Rückführungspläne der Ampel
Asylanträge: Im September 2023 wurden in Deutschland 27.889 Asylerstanträge gestellt, 0,5 Prozent mehr als in August. Von Januar bis September 2023 waren es damit 233.744 Erstanträge. Davon betrafen 17.732 in Deutschland geborene Kinder unter einem Jahr.
Abschiebung: Der Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums "zur Verbesserung der Rückführung" sieht vor, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern. Auch soll unter anderem die Ausweisung von Schleusern forciert werden.
Union spricht von kleinem, aber wichtigen Schritt
In der Aussprache verwies der Parlamentarische Innen-Staatssekretär Mahmut Özdemir (SPD) darauf, dass mehr als zehn Prozent aller abgelehnten Asylanträge von Menschen aus Georgien und Moldau gestellt würden. Er betonte zugleich, dass die Gesamtzahl der nach Deutschland Geflüchteten eine Größenordnung erreicht habe, "die eine Unterbringung zunehmend schwierig bis unmöglich macht". Helge Lindh (SPD) hob hervor, dass die Koalition den Gesetzentwurf auch im Zusammenhang mit Migrationsabkommen sehe, die "Rückführung regulieren", aber auch legale Einwanderungswege ermöglichten.
Alexander Throm (CDU) nannte die Einstufung der beiden Staaten einen kleinen, aber wichtigen Schritt. Dieser sei überfällig, aber gehe nicht weit genug. Vielmehr müssten auch Indien sowie die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Dies werde von den Grünen blockiert.
FDP will mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären
Wie Throm wertete Christian Wirth (AfD) die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten als "wichtigen, kleinen Schritt". Darüber hinaus brauche man aber sichere Grenzen, Abschiebung und die "Festung Europa". Stephan Thomae (FDP) plädierte ebenfalls dafür, auch die Maghreb-Staaten und weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Zugleich warb er für ein "Zusammenstehen" von Koalition und Union beim Bemühen, irreguläre Migration in den Griff zu bekommen.
Filiz Polat (Grüne) betonte demgegenüber, dass in den Maghreb-Staaten "Lesben, Schwulen, trans-, inter-, bisexuellen und queeren Personen mehrjährige Haftstrafen" drohten, wenn sie sich outen. Beim Thema sichere Herkunftsstaaten brauche es daher eine sorgfältige Beratung mit Überweisung in die Fachausschüsse.Clara Bünger (Linke) beklagte, dass sich die Situation queerer Menschen in Georgien deutlich verschlechtert habe und in Moldau Roma systematisch diskriminiert würden. Auch lehne ihre Fraktion das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten generell ab.