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Konstantin von Notz über Reichsbürger : "Wir müssen Verfassungsfeinden konsequent in die Parade fahren"

Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sieht von den Reichsbürgern massive sicherheitspolitische Gefahren ausgehen. Er fordert Konsequenzen im Waffenrecht.

19.12.2022
True 2023-11-16T15:14:10.3600Z
5 Min

Herr von Notz, zur Einordnung, da es ja immer wieder Berichte über abstrus klingende Planungen sogenannter Reichsbürger und auch über zahlreiche Gewalttaten von Mitgliedern dieser Szene gibt: Reihen sich die durch die jüngste Großrazzia vereitelten mutmaßlichen Umsturzpläne da ein oder sehen Sie eine neue Dimension erreicht?

Konstantin von Notz: Ich glaube, die Razzia macht die wahre Dimension des Problems deutlich, auch wenn wir derartige Strukturen in ähnlicher Form in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben. Verfahren wie das gegen Franco A., bei dem es ja auch zu einer empfindlichen Haftstrafe kam, haben die massive sicherheitspolitische Gefahr wiederholt vor Augen geführt, die von ihnen ausgeht. Insofern muss man die aktuellen Ermittlungen maximal ernst nehmen. Explizit warnen möchte ich davor, von der Abwegigkeit und Abgründigkeit der Ideologien von Extremisten auf deren Harmlosigkeit zu schließen. Personen können gefährlich sein, auch wenn ihre Thesen hanebüchen sind.

Foto: von-notz.de/Stephan Pramme

Das Parlamentarische Kontrollgremium, das Konstantin von Notz (Grüne) leitet, ist unter anderem für Kontrolle und Überwachung des Bundesnachrichtendienstes sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz zuständig.

Nach dem Skandal um die rechtsterroristische NSU-Zelle mussten sich die Sicherheitsbehörden harte Vorwürfe anhören. Hat sich der Rechtsstaat diesmal hinreichend wehrhaft gezeigt?

Konstantin von Notz: Ich finde: ja. Der Generalbundesanwalt und die Sicherheitsbehörden haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, entschlossen gegen extremistische, verfassungsfeindliche Entwicklungen einzuschreiten und militanten Verfassungsfeinden konsequent in die Parade zu fahren.

Nicht nur die Zahl sogenannter Reichsbürger nimmt zu, die Szene scheint auch immer mehr in die Mitte der Gesellschaft zu wachsen. Woran liegt das?

Konstantin von Notz: Ich finde das Bild der Extremisten, die ausschließlich am Rand der Gesellschaft agieren, schräg. Zu der aufgeflogenen Gruppe zählen neben Prinzen auch ehemalige Abgeordneten des Bundestags, Ärzte, Rechtsanwälte und Starköche. Auch Menschen mit einem soliden Bildungslevel sind offenbar für extremistische Ideologien anfällig. Das hat auch die deutsche Geschichte eindrücklich gezeigt. Ich glaube aber, dass der überragende Anteil der Menschen in der Bundesrepublik solche extremistischen Bestrebungen mit größter Sorge sieht und unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, gegen den sich das alles ja wendet, wertschätzt und bereit ist, diesen zu verteidigen. Insofern haben die Sicherheitsbehörden hier die volle Rückendeckung der - wenn Sie so wollen - Mitte der Gesellschaft. Damit ist aber eigentlich die überragende Mehrheit der Gesellschaft gemeint, die wehrhaft gegen Verfassungsfeinde steht.

Bundesinnenministerin Faeser hat als eine Konsequenz eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt, was indes in den Reihen der FDP auf Widerspruch stößt.

Konstantin von Notz: Ich finde, dass das bestehende Waffenrecht effektiv und konsequent durchgesetzt werden muss und dass wir Extremisten und Menschen, die mit Waffen unverantwortlich umgehen, entwaffnen müssen. Das ist der Anspruch, den wir für die Sicherheit unseres Landes politisch konsequent durchsetzen müssen. Da gibt es durchaus ein gemeinsames Fundament in der Ampel, aber auch mit Blick auf die Union. Zunächst steht für uns jedoch die weitere Sachaufklärung im Vordergrund.


„Am Ende muss uns einen, dass Extremisten in einer freiheitlichen Demokratie keinen Zugang zu gefährlichen Waffen haben dürfen.“
Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen)

Sehen Sie beim Waffenrecht auch gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

Konstantin von Notz: Wir sehen ja schon lange Handlungsbedarf bei der Frage der Entwaffnung von Extremisten. Um aus den jüngsten Ermittlungen konkrete politische Forderungen abzuleiten, muss man erst einmal deren Ergebnisse abwarten: Sind die betreffenden Personen, die weiterhin in U-Haft sitzen, auf legalem oder illegalen Weg an die Waffen herangekommen? Gibt es weitere Waffen, die in den nächsten Tagen und Wochen noch gefunden werden? Am Ende muss uns einen, dass Extremisten in einer freiheitlichen Demokratie keinen Zugang zu gefährlichen Waffen haben dürfen.

In der letzten Wahlperiode gab es einen vergeblichen Vorstoß für eine Meldepflicht, die verhindern sollte, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Waffen besitzen. Würde eine neue Initiative in diese Richtung Sinn machen?

Konstantin von Notz: Ein solches Warnsystem wäre ein bedeutsamer Schritt. Dabei dürfen Legalwaffenbesitzer wie Sportschützen und Jägerinnen nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Vielmehr müssen wir zielgerichtet den Leuten den Zugang zu Waffen entziehen, bei denen es konkrete Anlasspunkte für potentiellen Missbrauch gibt. Losgelöst von den derzeitigen Geschehnissen ist es richtig, dass man sich das nochmal sehr genau anschaut.

Foto: picture-alliance/SULUPRESS.DE/Torsten Sukrow
Konstantin von Notz
Konstantin von Notz (51) gehört dem Bundestag seit 2009 an. Der Grünen-Fraktionsvize ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums sowie Mitglied des Innenausschusses.
Foto: picture-alliance/SULUPRESS.DE/Torsten Sukrow

Die Ministerin will auch mit einer Verschärfung des Disziplinarrechts Verfassungsfeinde künftig schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen lassen können. Wie sollte das genau aussehen?

Konstantin von Notz: Es ist wichtig, dass der Staat nicht Menschen als Beamte beschäftigt, die sich gegen dessen freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Da sind die Reichsbürger ein gutes Beispiel. Daher braucht es Regelungen, die bei konkreten und relevanten Vorfällen eine Entfernung aus dem Staatsdienst nach objektiven Kriterien in einem rechtsstaatlichen Verfahren ermöglichen. Die derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen sind nicht ausreichend. Die Ampelpartner haben sich daher darauf verständigt, eine Möglichkeit zu schaffen, Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst zu entfernen. Wir warten auf die konkreten Vorschläge aus dem Bundesinnenministerium. Eine freiheitliche Demokratie wie unsere, die derzeit von vielen Seiten angegriffen wird, kann es sich nicht leisten, das Vertrauen in staatliche Institutionen zur Disposition zu stellen.

Gefordert wird auch eine genauere Überprüfung von Sicherheitskräften. Wo lässt sich da nachlegen?

Konstantin von Notz: Die Sicherheitsüberprüfungen sind ein kompliziertes und langwieriges Feld. Nachdem wir uns damit sehr lange beschäftigt haben, kann ich nur eine Reform anmahnen. Diese Überprüfungen müssen differenzierter und schneller werden und in bestimmten Fällen auch tiefenschärfer.

Eine der jetzt Beschuldigten ist eine frühere Bundestagsabgeordnete der AfD, weshalb der Ruf nach einer stärkeren Überwachung dieser Partei durch den Verfassungsschutz zu hören ist.

Konstantin von Notz: Es steht der Politik und gerade als Mitglied der Legislative mir nicht an, das zu fordern. Das entscheiden die zuständigen Behörden im Zusammenspiel und nach den Bewertungen von Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten unabhängig. Diese Entscheidungen werden von Gerichten nach Recht und Gesetz überprüft. Ich habe vollstes Vertrauen in diese Institutionen.

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Es gibt auch Bedenken, dass die Waffenbehörden in den Ländern und Kommunen nicht hinreichend ausgestattet sind, etwa mit ausreichendem Personal...

Konstantin von Notz: Das ist tatsächlich ein relevantes Problem. Es ist zwingend erforderlich, die bestehenden Gesetze und vorgesehenen Kontrollmechanismen konsequent und einheitlich in allen Bundesländern und Kommunen anzuwenden. Die einfache Forderung nach einem schärferen Waffenrecht mag plausibel klingen, aber sie wird der Komplexität der Lage nicht gerecht. Wir müssen genau prüfen, wo es in der Umsetzung der bestehenden und vielfach guten Regelungen derzeit hakt, um zielgerichtet nachsteuern zu können.

Müssen in Ihren Augen noch weitere Lehren gezogen werden?

Konstantin von Notz: Wir müssen wachsam bleiben. Selbst wenn die jetzigen Ermittlungen erfolgreich abgeschlossen werden und es am Ende zu Verurteilungen kommen sollte, gibt es zahlreiche weitere Gruppen, die ganz ähnlich ticken und agieren. Insofern muss unser Rechtsstaat aufmerksam bleiben und seine Wehrhaftigkeit weiter unter Beweis stellen.