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Knapp eine Milliarde Euro Entlastung geplant : Ampel will gegen den "Bürokratie-Burnout" vorgehen

Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV soll allein die Wirtschaft um 944 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. Der Opposition reicht das noch nicht.

17.05.2024
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4 Min

Schon mehrere Bundesregierungen haben sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben, die amtierende unternimmt nun einen neuen Vorstoß. Ein von ihr vorgelegter Gesetzentwurf zur "Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie" wurde am Freitag erstmals im Bundestag debattiert und wird nun im Rechtsausschuss weiterberaten. Dieses Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) sieht unter anderem vor, Formerfordernisse im Zivilrecht abzusenken, Aufbewahrungspflichten für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht zu verkürzen sowie für deutsche Staatsangehörige die Hotelmeldepflicht abzuschaffen.

Foto: picture-alliance/dpa-mag/Andrea Warnecke

Digital ist besser: Formerfordernisse wie die eigenhändige Unterschrift sollen entfallen, um die Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger zu senken.

Ferner soll laut Entwurf eine zentrale Datenbank der Steuerberaterinnen und Steuerberater für Vollmachten im Bereich der sozialen Sicherung eingeführt werden. Insgesamt sollen 58 Gesetze und Verordnungen geändert oder aufgehoben werden. Die damit verbundene Entlastung allein der Wirtschaft beziffert die Regierung auf jährlich 944 Millionen Euro.

Buschmann kündigt weitere Schritte zum Bürokratieabbau an

Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs warnte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor einem "Bürokratie-Burnout" der deutschen Wirtschaft . Mehr und mehr Ressourcen würden von produktiven Tätigkeiten abgezogen. Die Bundesregierung wirke dem mit mehreren Maßnahmen entgegen, darunter das BEG IV. "Weniger Zettel, mehr Wirtschaft" nannte Buschmann als Ziel und führte als Beispiel an, dass nach dem neuen Gesetz 90 Millionen weniger Meldezettel in Hotels ausgefüllt werden müssten. Der Justizminister kündigte weitere Schritte an. So werde der Wirtschaftsminister in Kürze Erleichterungen für das Vergaberecht vorschlagen, und die ganze Bundesregierung setzte sich gemeinsam mit Frankreich für Bürokratieabbau auf EU-Ebene ein. Denn 57 Prozent des bürokratischen Erfüllungsaufwandes in Deutschland stamme aus der Umsetzung von europäischen Richtlinien.

Günter Krings (CDU) entgegnete, Elemente des BEG IV gingen in die richtige Richtung, mehr Positives könne er dazu aber nicht sagen. Die Bürokratie sei in der Zeit der amtierenden Regierung schlimmer geworden, der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft nach Aussage des Normenkontrollrats so hoch wie nie, beklagte Krings. Sein Fraktionskollege Martin Plum ergänzte, der jährliche Bürokratieaufwand für die Wirtschaft von 65 Milliarden Euro würde durch das BEG nur um rund 300 Millionen oder ein halbes Prozent gesenkt. Währenddessen habe die Bundesregierung Ende März einen Referentenentwurf vorgelegt, der Unternehmen zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung verpflichten solle und sie mit neuen Bürokratiekosten von 1,4 Milliarden Euro im Jahr belaste. Volker Ullrich (CSU) verwies darauf, dass Vorschriften und Dokumentationspflichten in der Regel "aus vielen guten Gründen" entstanden seien, um Risiken zu minimieren. Vielleicht sei es aber besser, nicht Risiken "um jeden Preis" zu minimieren, sondern "den Menschen wieder mehr Verantwortung und Eigenständigkeit zuzutrauen".


„Die Bekämpfung der Bürokratie-Hydra ist und bleibt eine Daueraufgabe der Politik.“
Thorsten Lieb (FDP)

Dem hielt Thorsten Lieb (FDP) entgegen, dass die Summe von 65 Milliarden auch schon vor zehn Jahren im Bericht des Normenkontrollrats gestanden habe und damals die CDU die Regierung geführt habe. Lieb wies wie auch andere Rednerinnen und Redner der Koalitionsfraktionen darauf hin, dass das BEG nur eines in einer Reihe von Maßnahmen zum Bürokratieabbau sei, die schon erfolgt oder noch geplant seien. Tatsächlich ist das BEG Teil eines bei der Kabinettsklausur in Meseberg im August 2023 vereinbarten größeren Maßnahmenpakets, zu dem auch das im März verabschiedete Wachstumschancengesetz gehört. "Die Bekämpfung der Bürokratie-Hydra ist und bleibt eine Daueraufgabe der Politik", sagte Lieb.

AfD übt umfassende Kritik

Drastisch fiel die Kritik von Stefan Brandner (AfD) aus, der auch frühere Bundesregierungen mit einbezog. Bürokratie und nicht etwa Arbeitskräftemangel oder Energiepreise sei mit Abstand das größte Wirtschaftshemmnis, das sei "das Erbe des Altparteien-Staats Deutschland". Brandners Fraktionskollege Enrico Komning bezeichnete "Kontrollieren, Auskundschaften, Vorschreiben, Verbieten und bei Ungehorsam Gängeln" als "Kern heutigen Regierungshandelns". Allein das Gebäudeenergiegesetz bedeute einen einmaligen Erfüllungsaufwand von 127 Millionen Euro für die Bürger und 12,5 Milliarden für die Unternehmen.

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Auf bereits erfolgten Bürokratieabbau verwies Ingrid Nestle (Grüne) am Beispiel der Energieversorgung. Die Koalition habe den Ausbau der erneuerbaren Energien schon "ganz entscheidend beschleunigt, und den Ausbau der Netze noch mehr", lobte Nestle. Besonders hob sie den von Wirtschaftsminister Habeck eingeführten Praxistest hervor, bei dem gemeinsam mit betroffenen Verbänden 57 konkrete Vorschläge aus der Praxis entwickelt worden seien, von denen 41 in Gesetzen und Verordnungen umgesetzt werden konnten. "Wir haben einmal mehr gezeigt: Bürokratieabbau ist möglich", betonte Nestle.

Koalition will noch "eine Schippe" drauflegen

Redner von Koalitions- wie Oppositionsfraktionen kündigten an, in den parlamentarischen Beratungen noch "eine Schippe drauf zu legen", wie Dirk Wiese (SPD) formulierte. Sonja Eichwede (SPD) verteidigte das Vorgehen in kleinen Schritten. Richtig sei, Regelungen zu streichen, die ihren Zweck nicht mehr erfüllen, andererseits sei es beispielsweise wichtig, Regelungen mit Schutzfunktion für Arbeitnehmer beizubehalten. Wiese verwies darauf, dass neben der Bundesregierung und der EU auch Landesregierungen und kommunale Körperschaften für Bürokratiebelastungen von Wirtschaft und Bürger verantwortlich seien.