Strafrecht : Anträge gegen »Armutsbestrafung«
Die Linke fordert die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und der "Armutsbestrafung" sowie ein Unternehmensstrafrecht. Die Koalition verweist auf eigene Pläne.
Die Bundesregierung will die sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen halbieren. Einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der auch noch weitere Vorhaben enthält, brachte das Kabinett vergangenen Dezember auf dem Weg. Ersatzfreiheitsstrafen werden verhängt, wenn eine verurteilte Person die ihr auferlegte Geldstrafe nicht begleicht. Bisher galt: Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe richtet sich nach der Zahl der verhängten Tagessätze. Künftig soll sie halbiert werden. Zwei Tagessätze würden dann zu einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe umgerechnet.
Der Fraktion Die Linke reicht das nicht. Sie fordert, Ersatzfreiheitstrafen gänzlich abzuschaffen. Es sei "ein Instrument der Diskriminierung von einkommens- und vermögensschwachen Menschen, die häufig am Existenzminimum leben", argumentiert die Fraktion in einem Antrag zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Diesen und zwei weitere Anträge, einen zur Ausweitung der Pflichtverteidigung sowie einen zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts, diskutierte der Bundestag vergangenen Donnerstag erstmalig. In der Debatte sprach die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck für die Fraktion. "Soziale Probleme lassen sich nicht mit Repression lösen", sagte die Linken-Politikerin und berichtete von der Situation von Menschen in Berlin, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen.
Das überragende Ziel aller Anträge: Die "Armutsbestrafung" soll abgeschafft werden. So sieht die Fraktion etwa Änderungsbedarf im strafprozessualen Bereich - neben der Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen soll unter anderem die Art, wie Geldstrafen berechnet und Strafbefehle zugestellt werden, umgestellt werden. Zudem will die Fraktion das Recht auf Strafverteidigung ausweiten und die Prozesskostenhilfe stärken. Auch ans Strafrecht wollen die Linken ran: Das Fahren ohne Fahrschein, das Containern, also die Entnahme von Lebensmitteln aus Abfallbehältern aus Supermärkten, sowie der Drogenkonsum und -besitz zum Eigengebrauch sollen entkriminalisiert werden. Wer Verbrauchsmittel klaut, soll nach Ansicht der Fraktion milder bestraft werden. Zudem soll ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden.
Widerspruch von Union und AfD
In der Debatte sprachen sich die Redner von Union und AfD gegen die Vorschläge aus. "Sie teilen die, die Recht und Gesetz brechen, in Gut und Böse ein. Sie wollen unterschiedliche Urteile", sagte Ingmar Jung (CDU) mit Verweis auf das geforderte Unternehmensrecht. Ziel sei ein "politisches Strafrecht". "Das ist mit uns nicht zu machen." Thomas Seitz (AfD) nannte "Armutsbestrafung" ein "ideologisches Konstrukt". Es gebe sie in Deutschland nicht. "Sie legen die Axt an die Rechtsordnung und ihre Akzeptanz"; kritisierte der AfD-Abgeordnete die Vorschläge.
Rednerinnen und Redner von SPD, Grünen und FDP kündigten vor allem eigene Reformen an. Von einer "großen Gerechtigkeitsoffensive" sprach Carmen Wegge (SPD). Mit Blick auf die geplante Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe kündigte Wegge an, sie sei sich sicher, "dass wir den Entwurf noch ein bisschen besser machen werden". Canan Bayram sagte, eine moderne Gesellschaft brauche ein modernes Strafrecht: "Wir werden entkriminalisieren, wir werden liberalisieren und wir werden legalisieren." Stephan Thomae (FDP) sprach von einer "Zeit der Zeitenwende in der Strafrechtspolitik". Strafrecht sei zu oft als "politische Wunderwaffe" eingesetzt worden, kritisierte Thomae. Bei der angekündigten Strafrechtsreform werde auch das Fahren ohne Fahrschein in den Blick genommen werden, kündigte der Liberale an.