Urteil des Bundesverfassungsgerichtes : Kein Geld ohne Gesetz
Die parteinahen Stiftungen erhalten für ihre Arbeit viel Geld vom Staat. Künftig braucht es dafür eine eigene gesetzliche Grundlage.
Eigentlich wusste die Ampel-Koalition schon ohne Gerichtsbeschluss, was zu tun ist: Die Finanzierung der parteinahen politischen Stiftungen solle rechtlich besser abgesichert werden. So schrieben es die Regierungsparteien nach der Bundestagswahl 2021 - etwas wolkig formuliert - in ihren Koalitionsvertrag. Darauf folgte aber erst einmal nichts. Und so war es nun am Bundesverfassungsgericht, klarere Worte zu finden: Ein Stiftungsgesetz muss her. Anders steht die jedes Jahr Hunderte Millionen Euro schwere Ausstattung dieser politischen Bildungsstätten rechtlich nicht auf festen Füßen - zumindest dann nicht, wenn eine Stiftung, die der AfD, außen vor bleibt.
Namensgeber der beiden größten parteinahen Stiftungen: Reichspräsident Friedrich Ebert 1924 mit dem damaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Das Gericht in Karlsruhe stellte in seinem Urteil vom 22. Februar (2 BvE 3/19) fest, dass der Ausschluss der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung von der staatlichen Förderung die Partei 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt habe. Der Grund dafür: Bisher gebe es kein eigenes Gesetz, dass klar regelt, welche Voraussetzungen und Kriterien für eine Förderung gelten, sagte Vizegerichtspräsidentin Doris König. Diese Frage sei aber zu wesentlich, um sie ohne Gesetz zu entscheiden.
Die AfD hatte geklagt, weil die sechs Stiftungen, die CDU, CSU, SPD, FDP, Grünen und Linken nahestehen, jedes Jahr hohe Millionenbeträge aus dem Bundeshaushalt erhalten, während die AfD-nahe Stiftung bislang leer ausging. Die Klage der AfD bezog sich nicht nur auf 2019. Die Anträge, die andere Jahre betrafen, erklärte das Gericht aber größtenteils für unzulässig. Der Antrag für 2022 wird zu einem späteren Zeitpunkt separat entschieden werden.
Unklarheit beendet
Mit seinem Urteil beendet das Bundesverfassungsgericht jahrelange rechtliche Unklarheit. Kritische Stimmen aus der Politikforschung, zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Bund der Steuerzahler oder Transparency International sowie einige Politikerinnen und Politiker vor allem kleinerer Parteien hatten die Finanzierung der Stiftungen wiederholt infrage gestellt und eine gesetzliche Regelung gefordert. Experten hatten die vorangegangene und die amtierende Bundesregierung zudem gewarnt: Eine Millionenförderung für die 2017 gegründete und 2018 von der AfD als parteinah anerkannte Desiderius-Erasmus-Stiftung sei nicht zu verhindern, sofern nicht per Gesetz festgelegt werde, welche Kriterien für die öffentliche Förderung und somit auch für den Ausschluss davon gelten sollen.
Als problematisch gilt vor allem die Vergabe der sogenannten Globalmittel. Das ist der Teil der öffentlichen Finanzierung, durch den die Stiftungen pauschal ohne Projektbindung Geld für ihre Arbeit erhalten. Die Aufgaben der Stiftungen lauten grob umrissen: das politische Engagement der Bürger stärken, den akademischen Nachwuchs fördern und beim Aufbau von Demokratien im Ausland helfen. Also betreiben sie in erster Linie politische Bildungsarbeit, fördern Studierende, forschen und sind im Ausland aktiv.
Im Sinne der SPD tut das die 1925 gegründete Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die älteste unter den politischen Stiftungen. Der Sozialdemokrat und Reichspräsident Friedrich Ebert hatte in seinem Testament den Wunsch hinterlassen, es solle in seinem Namen und finanziert aus seinem Nachlass eine politische Stiftung gegründet werden. Bis heute ist sie die größte ihrer Art mit rund 670 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ihren Niederlassungen in Bonn und Berlin, in Landes- und Regionalbüros sowie an mehr als 100 Auslandsstandorten. Gut 2.800 Studentinnen und Studenten fördert die Stiftung mit Stipendien.
Viele Fördertöpfe für politische Stiftungen
Die anderen Stiftungen folgten dem Beispiel der FES. Die Friedrich-Naumann-Stiftung hält seit 1958 die Ideale der FDP hoch - und ist die einzige, bei der es sich der Rechtsform nach tatsächlich um eine Stiftung handelt. Die CDU hat seit 1964 die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Schwesterpartei CSU zog 1967 mit der Hanns-Seidel-Stiftung nach. Für grüne Politik steht trotz anfänglicher Skepsis der Partei gegenüber politischen Stiftungen und ihrer Finanzierung seit 1997 die Heinrich-Böll-Stiftung. Die Linke steht der Rosa-Luxemburg-Stiftung nahe, die sich 2000 gründete.
Die Stiftungsarbeit im Ausland wird vor allem mit Geld aus dem Auswärtigen Amt und aus dem Bundesentwicklungsministerium finanziert. Die Stipendien der Studienförderungswerke der Stiftungen werden vom Bundesbildungsministerium getragen. Für die politische Bildung kommt das Bundesinnenministerium auf. In der Studienförderung und in der Auslandsarbeit ist das Geld der Ministerien an Projekte gebunden. In der politischen Bildungsarbeit ist das anders, hier wird das Geld den Stiftungen pauschal zur Verfügung gestellt - durch die 1965 auf Initiative der FES eingeführten Globalmittel.
Grenze zwischen Parteien und Stiftungen
"Da gibt es mal eine Studienreise für Jungparlamentarier oder solche Dinge, eine Tagung zu einem Thema, das aber dann auch mit der Partei zu tun hat. Und Diskussionsabende, wo man Leute einladen kann und das nicht durch andere Konten, zum Beispiel nicht das der Partei, machen muss. Es ist natürlich eine Arbeit, die im Vergleich zu den beiden anderen deutlich mehr Schnittmengen zu der Partei aufweist", sagt Michael Koß, Professor für Politisches System der Bundesrepublik Deutschland und der EU an der Leuphana Universität Lüneburg. Koß stand dem Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger zur Seite.
Vor allem diese pauschalen Zuwendungen handeln den Stiftungen immer wieder den Vorwurf ein, sie betrieben verdeckte Parteienfinanzierung und seien intransparent. Im Jahr 2022 betrugen die Einnahmen der Stiftungen durch die Globalmittel 148 Millionen Euro. Rund 600 Millionen Euro stehen ihnen pro Jahr insgesamt zur Verfügung. Die staatliche Parteienfinanzierung ist im Vergleich klar gedeckelt: 2022 standen für alle Parteien 205 Millionen Euro zur Verfügung - der Großteil davon für die im Bundestag vertretenen.
Intransparenz kritisiert
Die Stiftungen weisen den Vorwurf der Intransparenz zurück. Die einzelnen Projekte der Stiftungen würden von den jeweiligen Ministerien geprüft. Und auch für die pauschal vergebenen Mittel aus dem Bundesinnenministerium müssten die Stiftungen vor Gremien wie den Bundesrechnungshof geradestehen. Der Bund der Steuerzahler kritisiert allerdings schon bei der Vergabe durch den Haushaltsgesetzgeber die seiner Ansicht nach fehlende Transparenz.
Welche Stiftung wie viel Geld erhält, legte bislang der Haushaltsausschuss des Bundestags fest. Grundlage dafür waren sogenannte Stiftungsgespräche mit Bundestagsabgeordneten, in denen Vertreterinnen und Vertreter der Stiftungen darlegten, wie viel Geld ihre Organisationen für das Haushaltsjahr benötigten. Auch einen Verteilungsschlüssel schlugen sie dem Haushaltsausschuss vor. Die entsprechenden Beschlüsse gingen dann ins jährliche Haushaltsgesetz ein.
Bereits vor mehr als 30 Jahren hatte eine vom damaligen Bundespräsidenten eingesetzte Kommission kritisiert, dass es für die Verteilung des Geldes keine Rechtsgrundlage gebe, konstatiert Politologe Michael Koß. Die Stiftungen regelten das aber weiterhin lieber unter sich. In einer gemeinsamen Erklärung von 1998 gelobten sie "ihre Ressourcen mit größtmöglichem Nutzen einzusetzen und darüber öffentlich Rechenschaft zu legen".
Bundesregierung ist noch uneinig, wie die Finanzierung der Stiftungen künftig aussehen soll
Auch in der derzeitigen Bundesregierung herrschte bislang Uneinigkeit darüber, wie die Finanzierung der Stiftungen künftig geregelt werden soll. Grüne und FDP sprachen sich für ein Stiftungsgesetz aus. Vor allem die SPD war weniger überzeugt davon, sich vom bisherigen System zu verabschieden. Das dürfte auch an den nach wie vor üppigen Zuwendungen für ihre Stiftung liegen, trotz der Stimmverluste der Partei: Bei der Bundestagswahl 1998 holte die SPD noch 40,9 Prozent der Zweitstimmen, 2017 hingegen lediglich 20,5 Prozent. Dennoch sanken die relativen Zuschüsse an die Friedrich-Ebert-Stiftung in dieser Zeit nur um fünf Prozentpunkte. Die absoluten Zuschüsse stiegen sogar, weil es insgesamt mehr Geld für die Stiftungen gab. Ein Gesetz mit klaren Kriterien für die Finanzierungshöhe könnte das ändern.
Vieles von dem, was Stiftungen tun und lassen sollen, fußt auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986. Dem vorausgegangen war eine - abgewiesene - Klage der Grünen gegen die Stiftungsfinanzierung. Das Gericht legitimierte damals die Parteinähe der Stiftungen, forderte aber auch, dass sie unabhängig, eigenverantwortlich und geistig offen Distanz zu den Parteien halten sollten.
Parteienrechtler sieht "unscharfe Grenze"
Das sei nicht immer gegeben, sagt der Parteirechtsexperte Martin Morlok: "Das ist eine unscharfe Grenze, die in der Praxis nicht exakt einzuhalten ist. Natürlich haben Parteien um die Ecke herum Vorteile, wenn sie bestimmte Aufgaben von einer Stiftung erledigen lassen können." Der Bund der Steuerzahler warf den Stiftungen in einer Studie im vergangenen Jahr vor, sie seien offiziell zwar unabhängig. Strukturell, personell und indirekt auch finanziell seien sie aber eng mit den Parteien verflochten.
Bei der Förderung von parteinahen Stiftungen sollten, so forderte es das Bundesverfassungsgericht noch 1986, "alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen" Deutschlands berücksichtigt werden. Die politischen Stiftungen legten in ihrer Erklärung 1998 ein Kriterium dafür fest: Dauerhaft ins Gewicht falle eine Partei, wenn sie zweimal in Folge in den Bundestag gewählt wird.
Seit 2021 gilt das auch für die AfD. Geld erhielt die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung trotzdem nicht. Denn 2022 fügte der Haushaltsausschuss dem Haushaltsgesetz einen Passus hinzu. Demnach werden die Zuschüsse "nur politischen Stiftungen gewährt, die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten". Das wird künftig in einem eigenen Stiftungsgesetz zu regeln sein.
Der Autor arbeitet als Redakteur beim Deutschlandradio.