Aktionen der "Letzten Generation" : Kleben und strafen
Die Union will das Strafrecht verschärfen, um gegen die »Letzte Generation« vorzugehen. Eine Mehrheit im Bundestag findet sie dafür nicht.
Die Politik zeigt sich zunehmend genervt von den Aktionen der "Letzten Generation". Vergangene Woche hatten die Aktivistinnen und Aktivisten in Berlin mit etlichen Blockaden an mehreren Tagen den Verkehr in der Hauptstadt gestört und die Polizei auf Trapp gehalten. Die "Letzte Generation" will mit ihren Aktionen, die Berlin "zum Stillstand" hätten bringen sollen, Druck auf die Bundesregierung ausüben, mehr für den Klimaschutz zu tun. Zu den konkreten Forderungen gehören die Einführung eines Neun-Euro-Tickets sowie eines Tempolimits auf Autobahnen. Die Aktivistinnen und Aktivisten rechtfertigen ihre umstrittenen Aktionen damit, dass die Regierung die Verfassung breche, indem sie nicht genug für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen unternehme.
Vor Gericht scheint diese Argumentation allerdings nicht zu verfangen. Ebenfalls vergangene Woche verurteilte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin eine 24-Jährige zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe - ohne Bewährung. Die Frau hatte sich im August 2022 in der Gemäldegalerie an einem Bilderrahmen festgeklebt, zudem hatte sie an Blockaden teilgenommen. Die Richterin begründete die Haftstrafe damit, dass es keine günstige Sozialprognose für die Angeklagte gebe. Deren Anwalt kündigte an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Zuvor hatten schon Gerichte in Heilbronn und Hamburg Haftstrafen ohne Bewährungen gegen Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" verhängt.
Handarbeit: Ein Polizist löst einen festgeklebten Aktivisten von einer Berliner Straße.
Die Urteile fallen in eine rechts- und innenpolitische Debatte zum Umgang mit den Protestierenden. Aus Sicht von Polizeigewerkschaften sollte etwa die Möglichkeit des Unterbindungsgewahrsams beziehungsweise der Präventivhaft großzügiger eingesetzt werden. Die Union will an das Strafrecht heran: Der Bundestag beriet vergangenen Donnerstag einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, in dem die Abgeordneten härtere Strafen für "Straßenblockierer und Museumsrandalierer" fordern. Die Fraktion fordert die Bundesregierung unter anderem dazu auf, den Strafrahmen für gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (Paragraf 315b Strafgesetzbuch) auf Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben, "um die besondere Gefährlichkeit der Straßenblockaden angemessen zu ahnden". Aktuell ist auch eine Geldstrafe möglich. Auch die Behinderung von Rettungsdiensten solle strafrechtlich deutlicher gewürdigt werden.
Fraktionsübergreifende Abgrenzung von der "Letzten Generation"
Die im November vergangenen Jahres eingebrachte Vorlage fand bei den übrigen Fraktionen keine Mehrheit und wurde abgelehnt. Die Rednerinnen und Redner fast aller Fraktionen nutzten die Debatte allerdings zu mehr oder minder deutlicher Abgrenzung von der "Letzten Generation". Für die AfD-Fraktion sprach Thomas Seitz von "Klimaverbrechern, die rücksichtslos eine ganze Gesellschaft in Geiselhaft" nähmen. "Die Verbrecher von heute sind die Terroristen von morgen", so Seitz.
Für die Unionsfraktion verwies Günter Krings (CDU) auf Angaben der Berliner Feuerwehr, nach denen die Proteste am vergangenen Montag 17 Rettungseinsätze behindert hätten. "Straßenblockierer, die meinen, derart rücksichtslos auftreten zu dürfen, handeln in Wahrheit arrogant und zynisch", sagte Krings. Die Demonstrationsfreiheit sei ein hohes Gut, aber kein Freibrief dafür, "Tausende von Bürgern für die eigenen radikalen Positionen zu instrumentalisieren, ja, sie in eine Art politische Geiselhaft zu nehmen".
Auch Stephan Thomae (FDP) kritisierte die Aktivisten scharf. Der Protest diene nicht dem Klima, sondern "der Selbstinszenierung von Menschen mit übersteigertem Sendungsbewusstsein und von Menschen, die, so glaube ich, manchmal auch Freude am Schaden anderer Leute haben".
Für die SPD-Fraktion sprach Sonja Eichwede davon, dass ein legitimes Ziel wie der Klimaschutz "strafrechtlich relevante Vorfälle" nicht als Mittel heilige. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte Lukas Benner die Protestform als "kontraproduktiv". Er glaube nicht, dass sie dazu beitrage, "gesellschaftliche Mehrheiten im Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen". Benner verwahrte sich aber davor, durch Begrifflichkeiten wie "Klima-RAF" oder Vergleiche der Proteste mit Straßenschlachten in der Weimarer Republik "schlimmste Formen der Gewalt" zu verharmlosen und die Geschichte zu relativieren.
Ähnliche argumentierte für die Fraktion Die Linke Clara Bünger. "Gewaltvolle Sprache ist oft der Beginn von gewaltvollen Handlungen", sagte die Abgeordnete. Bünger führte an, dass durch das Grundgesetz auch Versammlungen geschützt seien, "bei denen es sogar zur bewussten Behinderung Dritter kommen kann". Selbstverständlich seien damit nicht Behinderungen von Rettungsfahrzeugen gemeint.
Keine Unterstützung für Unions-Forderung nach Strafrechtsverschärfung
Die eigentlichen Forderungen der Unionsfraktion überzeugten die übrigen Fraktionen nicht. Christdemokrat Krings argumentierte, dass eine Verschärfung der Paragrafen notwendig sei, da die Blockierer die Behinderung Dritter über einen möglichst langen Zeitraum beabsichtigten. "Diese erhöhte kriminelle Energie muss sich nun logischerweise auch in den einschlägigen Straftatbeständen widerspiegeln", sagte er.
Dem hielt beispielsweise Sozialdemokratin Eichwede entgegen, dass es falsch sei, "immer wieder nach strafrechtlichen Verschärfungen zu rufen, während uns doch das Strafgesetzbuch einen großen Handlungsspielraum gibt". Richterinnen und Richter könnten straf- und schuldangemessen im Einzelfall entscheiden. Ähnlich argumentierte der FDP-Abgeordnete Thomae und kritisierte den Lösungsansatz der Union, "angebliche Strafbarkeitslücken" zu füllen: "Sie kleben an diesem Strafschärfungsreflex genauso, wie die Klimakleber auf der Straße kleben."
Der AfD-Abgeordnete Seitz rügte die Justiz: Gesetzesverschärfungen brächten nichts, "wenn sie nicht auch angewandt werden". Er forderte die Einführung eines neuen Verbrechentatbestandes für die Blockade von Verkehrswegen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr.