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Ukraine-Krieg : Gretchenfrage auf Ketten

Die Bundesregierung lehnt Lieferung von Leopard-Panzern weiterhin ab. In der Koalition sehen das aber nicht alle so.

23.01.2023
True 2024-03-15T11:59:34.3600Z
4 Min

Es war die Gretchenfrage in der vergangenen Woche: Soll Deutschland nun doch Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine liefern? In den Tagen zuvor war der innen- wie außenpolitische Druck auf die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf ein Höchstmaß gestiegen. Scholz hatte immer argumentiert. Deutschland werde "im Alleingang" keine Kampfpanzer liefern. Und an dieser Marschrichtung sollte sich bis Ende der Woche auch nichts ändern. Trotz der Ankündigung Großbritanniens, 14 Challenger-Kampfpanzer liefern zu wollen und der unverhohlenen Drohung von Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Leopard-2-Panzer der polnischen Armee auch ohne deutsche Exportgenehmigung an die Ukraine zu liefern, konnte auf dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe im Ramstein keine Einigkeit in dieser Frage erzielt werden.

Foto: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Begrüßung mit militärischen Ehren: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und seine Amtsvorgängerin Christine Lambrecht (SPD) im Berliner Bendlerblock.

Kaum zwei Stunden nach dem Amtseid von Boris Pistorius (SPD) als neuer Verteidigungsminister und 24 Stunden vor Beginn der Konferenz der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein waren die unterschiedlichen Ansichten zur Lieferung von deutschen Kampfpanzern am Donnerstag noch einmal im Bundestag aufeinander gestoßen. Die CDU/CSU hatte einen Antrag vorgelegt, mit dem sie die Bundesregierung auffordert, der deutschen Rüstungsindustrie und den Nato-Staaten, die selbst über Leopard-2-Kampfpanzer verfügen, eine Exportgenehmigung zu erteilen und nach Möglichkeit auch aus Beständen der Bundeswehr Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern. Gleiches soll auch für die älteren Leopard-1-Panzer gelten, die sich noch in den Beständen der Industrie befinden. Zudem müsse gemeinsam mit den Verbündeten die Ausbildung ukrainischer Soldaten an dem Waffensystem und die Lieferung von Ersatzteilen und Munition sichergestellt werden.

Union erinnert an Deutschlands Versprechen, schwere Waffen zu liefern

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Johann David Wadephul (CDU) erinnerte daran, dass der Bundestag im vergangenen Frühjahr "nach harten Debatten" beschlossen habe, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen. "Die schweren Waffen schlechthin sind Panzer", führte Wadephul aus. Wegen der drohenden russischen Frühjahrsoffensive müsse Deutschland "die Ukraine wirkungsvoll unterstützen". Angesichts der Bereitschaft Polens, Finnlands und Spaniens zur Lieferung von Leopard-Panzern, sei die Weigerung des Kanzlers der eigentliche Alleingang, der "falsch und unverantwortlich" sei.

Für die Regierungskoalition kam die Debatte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da sie sich auch einen Tag vor dem Treffen in Ramstein auf keine gemeinsame Linie einigen konnte. Während sich die Grünen und die FDP dezidiert für die Lieferung aussprachen, tat sich die SPD damit weiterhin schwer. So verhinderte die Koalition auch die von der Union beantragte sofortige Abstimmung über den Antrag.

Der SPD-Außenpolitiker Dietmar Nietan warf der Union denn auch vor, ihr ginge es lediglich darum, "Radau" zu machen. Zugleich räumte er jedoch ein, dass die Ukraine für die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebieten "weitere Kampfpanzer" benötige. Er erwarte sich von der Konferenz in Ramstein "substanzielle Beschlüsse". Wie diese aussehen könnten und welche Kampfpanzer er dabei im Blick hatte, ließ Nietan jedoch offen.


„Der Bundeskanzler muss aufpassen, Europa nicht zu spalten.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)

Die Koalitionspartner der Sozialdemokraten hingegen sprachen sich offen für die Lieferung der Leopard-Panzer aus. So verwies die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger auf die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung von Marder-Schützenpanzern. "Aber wir sollten, nein, wir müssen auch den nächsten Schritt gehen. Schützenpanzer sind für den gemeinsamen Einsatz mit Kampfpanzern vorgesehen", argumentierte Brugger. Es gebe "keine überzeugenden Gründe, die Leopard-Panzer im europäischen Verbund nicht zu liefern". Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erneuerte die Forderung ihrer Fraktion nach der Lieferung der Leopard-Panzer. Zudem warnte sie Bundeskanzler Scholz, Europa in der Frage von Waffenlieferungen zu "spalten".

Linke und AfD wollen keine Panzer liefern

Ein dezidiertes Nein zur Lieferung deutscher Panzer kam hingegen aus den Reihen der AfD- und der Linksfraktion. Der Krieg in der Ukraine sei angesichts der militärischen Stärke Russlands und seiner Atombewaffnung "nicht zu gewinnen", stellten der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Petr Bystron, und der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch übereinstimmend fest. Gewinner in diesem Krieg sei lediglich die USA, die "ihre Einflusszone bis an die Grenze Russlands erweitert" habe und die von den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und den Waffenverkäufen in die Ukraine ökonomisch profitierten, führte Bystron aus.

Bartsch forderte ebenso wie der AfD-Abgeordnete eine Rückkehr zur Diplomatie, um den Ukraine-Krieg zu beenden. "Ihr Wettlauf um Waffenlieferungen hat uns dem Frieden keinen Millimeter näher gebracht, und Sie rennen mit diesen Scheuklappen immer weiter", warf Bartsch den Befürwortern einer Panzer-Lieferung vor. Und fügte an: "Wer sich gegen Waffenlieferungen ausspricht, ist noch lange kein Putin-Freund."

Das beurteilte Strack-Zimmermann allerdings anders: In der Ukraine würden Menschen ermordet, gefoltert und Frauen vergewaltigt. "Schauen Sie hin, wie barbarisch dieser Krieg ist, und verschonen Sie uns rechts wie links mit Radio Moskau!", schimpfte sie mit Blick auf die Reihen der AfD und der Linken.

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