Gedenkskulptur und Informationstafel geplant : Vergessene NS-Opfer
Der Bundestag beschließt ein Mahnmal für die in der nationalsozialistischen Diktatur verfolgten Zeugen Jehovas im Berliner Tiergarten.
Für die in der nationalsozialistischen Diktatur verfolgten Zeugen Jehovas soll im Berliner Tiergarten ein Mahnmal errichtet werden. Den entsprechenden gemeinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verabschiedete der Bundestag am vergangenen Donnerstag gemäß einer Beschlussempfehlung des Kulturausschusses ohne Gegenstimmen.
Die Mitglieder der Zeugen Jehovas hätten aus ihrem Glauben heraus geschlossen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet und seien eine der ersten im nationalsozialistischen Deutschland verfolgten Gruppen gewesen, betonten die Redner aller Fraktionen in der Debatte. Viel zu lange sei dieser Opfergruppe zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden.
Das Mahnmal soll aus einer Gedenkskulptur und Informationstafel bestehen und in Abstimmung mit dem Land Berlin realisiert werden. Mit der Planung und Umsetzung soll die Bundesstiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas beauftragt werden. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, Defizite in der Aufarbeitung der Geschichte, der öffentlichen Anerkennung und der wissenschaftlichen Erforschung der verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas in Europa zu beseitigen. Die Errichtung eines Mahnmals für die verfolgte Religionsgemeinschaft sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, die dem Anspruch Deutschlands entspreche, aller Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, heißt es im Antrag.
Haft, Enteignungen, Zerstörung der Existenz, Kindesentzug, Folter und Mord
Nach derzeitigem Forschungsstand erlitten mindestens 10.700 deutsche Zeugen Jehovas und 2.700 aus den besetzten Ländern Europas direkte Verfolgung - in Form von Haft, Enteignungen, Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz, Kindesentzug, Folter und Mord. Etwa 4.200 Zeugen Jehovas aus Deutschland und Europa wurden in Konzentrationslager verschleppt. Mindestens 1.700 Angehörige der Glaubensgemeinschaft verloren durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945 ihr Leben. 282 von ihnen wurden wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet, weitere 55 Kriegsdienstverweigerer kamen in der Haft oder in Strafeinheiten ums Leben.
Der Antrag weist darauf hin, dass die Zeugen Jehovas nach 1945 auch in der DDR oder in anderen Teilen des sowjetisch dominierten Europas Opfer von Verfolgung wurden. Die AfD hatte allerdings bereits in den Ausschussberatungen moniert, dass diesem Aspekt nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet werde. Ein Mahnmal für die Verfolgung der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus sei zwar ausdrücklich zu begrüßen, es sei aber nicht nachvollziehbar, warum an die Verfolgung in den kommunistischen Diktaturen nach 1945 nicht erinnert werden solle. Der antitotalitäre Konsens drohe immer mehr zu verblassen, hatte Marc Jongen (AfD) vor dem Ausschuss argumentiert. Jan Korte (Linke) hatte diese Kritik der Bemerkung gekontert, dass die "gigantischen Leichenberge der Nazis nicht mit den Aktenbergen der Stasi und den Gefängnissen der DDR zu vergleichen" seien.