Nach Eklat bei der "Berlinale" : Abgeordnete streiten über Antisemitismus in der Kulturszene
Die Union kritisiert das zu lange Schweigen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach dem Eklat bei der Preisverleihung der "Berlinale".
Als antisemitisch empfundene Reden auf der diesjährigen Berlinale hatten in dieser Woche ein parlamentarisches Nachspiel. Auf der Abschlussgala der Berliner Filmfestspiele hatten mehrere Redner das israelische Vorgehen im Gazastreifen scharf kritisiert, nicht aber den auslösenden Terrorangriff der islamistischen Hamas. In einer von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde stellte Dorothee Bär (CSU) dazu fest, Filmemacher hätten Israel in die Nähe von Nazi-Deutschland gerückt, "unter einem ganz großen Applaus unwidersprochen". Die dort anwesende Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), habe "zwei ganze Tage gebraucht, bis sie sich geäußert hat. Zwei Tage Schweigen." Bär kritisierte, dass es für dieses Verhalten bis heute keine Erklärung gebe und die Ampel-Koalition eine Befassung des Kulturausschusses mit dem Thema verzögere.
Harsche Attacken gegen Israel, keine Solidarität mit den verschleppten Geiseln: Die Abschlussgala der Berlinale sorgte für Empörung.
Gleich zwei Skandale konstatierte Marc Jongen (AfD). Den ersten bei der Eröffnungsfeier in der Ausladung von AfD-Abgeordneten "wegen offenbar unerlaubter Meinungen". Den zweiten dann bei der Abschlussgala, "die diesen Club der Hypermoralisten zugleich als einen Club der Erzheuchler entlarvte". Die gleichen Leute, die AfD-Politiker als Rassisten diffamierten, applaudierten heftig, wenn von der Bühne herab Israel ein Apartheidsstaat genannt wird. "Von der AfD hätte es dafür keinen Applaus, sondern Protest gegeben", erklärte Jongen.
Selbstkritische Töne bei der SPD
Erhard Grundl (Grüne) bezichtigte seinerseits die AfD der Heuchelei, da sie "internationalen Antisemiten die Tore zum Bundestag aufsperrt und sie hier hofiert". "Ein Stück weit heuchlerisch" nannte er auch die CSU, weil sie in Bayern am Koalitionspartner Hubert Aiwanger (Freie Wähler) festhalte, trotz des Skandals um ein antisemitisches Flugblatt in seiner Schulzeit. Grundls Fraktionskollegin Marlene Schönberger plädierte nachdrücklich für eine baldige Verabschiedung des in der Koalition noch umstrittenen Demokratiefördergesetzes.
Selbstkritisch zeigte sich Helge Lindh (SPD). Er habe jahrelang nur auf rechten Antisemitismus geachtet, aber "nicht in gleicher Weise hingeguckt, wie er in künstlerischen, auch wissenschaftlichen Milieus stattgefunden hat". Auch bei Neuankommenden in Deutschland habe er, "wenn da antisemitische Töne waren, immer gerne darüber hinweggehört". Lindh wandte sich aber gleichzeitig vehement gegen die pauschale Verdächtigung von Muslimen als Antisemiten.
Annikó Glogowski-Merten (FDP) richtete den Blick auf die Vorfälle bei der Kunstausstellung Documenta 2022 in Kassel, wo unter anderem ein riesiges Gemälde mit antisemitischen Stereotypen erst nach tagelangen Protesten zunächst verhüllt und dann abgehängt worden war. Sie kritisierte, dass daraus noch immer keine Konsequenzen gezogen worden seien. Mit Antisemitismus an Hochschulen befasste sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober gebe es dort "immer wieder antiisraelische Kundgebungen", "Sympathie für den Terror der Hamas" und "ein Klima der Angst für jüdische Studentinnen und Studenten". Es müsse Anspruch der Politik sein, den Antisemitismus aus der Welt zu schaffen.