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75 Jahre Grundgesetz : "Das Grundgesetz" ist nichts für Demokratieverächter

Die Neuauflage von Peter Zollings Buch zum Grundgesetz bietet eine grandiose Geschichte unserer Verfassung. Und noch viel mehr.

17.05.2024
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2 Min

Das Grundgesetz ist kein literarisches Meisterwerk, aber ein Werk, das nun seit 75 Jahren mit seiner klaren und präzisen Sprache besticht. Zum Beispiel, wenn es in Artikel 3 schreibt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Dieser einfache und kraftvolle Satz, war 1949 eine Sensation. In einer Neuauflage würdigt Peter Zolling die Verfassung unserer Demokratie jetzt mit einer neuen Erläuterung und schon der Titel des Buches ist ebenso schnörkellos und klar, wie das Jubiläumskind selbst: "Das Grundgesetz".

Von der Übergangslösung zur Verfassung

Sein Inhalt bietet zweierlei. Es ist eine Geschichte über die Verfassung der Bundesrepublik, die fast nebenbei nicht nur erläutert, was eigentlich Verfassungen sind, was sie auszeichnet und warum sie überhaupt benötigt werden. Das Buch stellt dabei gegenüber allen gedanklichen Geisterfahrern auch klar, dass unser Grundgesetz natürlich eine Verfassung ist und wie es von der Übergangslösung genau hierzu wurde.

Foto: DBT/Felix Zahn/photothek

Die Urschrift des Grundgesetzes von 1949.

Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes wird von Zolling so leicht greifbar begleitet, dass es schon nicht mehr als Pflichtlektüre für den Schulunterricht taugen würde. Dafür bereitet die Lektüre zu große Freude. Zolling zeichnet nicht nur die großen Schritte hin zu dieser Verfassung, wie den Konvent von Herrenchiemsee oder selbstverständlich die Arbeit des Parlamentarischen Rates, nach. Er erläutert auch die vielen Weichenstellungen lange vor diesen beiden großen Verfassungskonventen, wie die "Rede der Hoffnung" des damaligen amerikanischen Außenministers James F. Burns am 6. September 1946, in der dieser für die Bildung einer vorläufigen deutschen Regierung eintrat, den Grundsätzen des Friedens und der Menschlichkeit befolgend.

Lebendige Geschichten von Adenauer und Schmid

Das Buch zeichnet aus, dass es diese Geschichten in seinen Streifzügen höchstlebendig erzählt, beispielsweise wenn es die beiden großen Gegenspieler im Parlamentarischen Rat, Konrad Adenauer und Carlo Schmid zu Wort kommen lässt. "Man hat mich vor Ihnen gewarnt. Sie werden sich von mir gefallen lassen müssen, dass ich Sie immer wieder beim Wort nehme", zitiert das Buch Schmid, als sich die Wege der beiden zum Auftakt der Arbeit des Rates erstmals kreuzten.


Peter Zolling:
Das Grundgesetz.
Die Verfassung unserer Demokratie.
dtv,
München 2024;
224 Seiten, 9,99 €


Zolling belässt es nicht bei diesen Geschichten aus der Geschichte. Er bietet vor allem auch einen leichten Zugang zu den Grundrechten im Grundgesetz. Seine Erläuterungen hierzu nehmen etwas mehr als die Hälfte der 222 Seiten ein. Das Buch soll kein Fachkommentar sein und das ist es auch nicht geworden. Es bietet eine Einführung in die Grundrechte auch ohne Studium der Rechtswissenschaft. Knapp, präzise und sachkundig werden die Artikel vorgestellt und eingeordnet. Die wesentliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder aktuelle Diskussionen werden aufgenommen und Hintergründe vermittelt, wie bei der Diskussion um die Einführung von Kinderrechten ins Grundgesetz.

Es sind solche praxisnahen Beispiele, die helfen können, unser Grundgesetz besser zu verstehen. Auch in Sachen Gleichberechtigung, wenn Zolling nebenbei die Frage erläutert, warum Männer trotz gleicher Rechte, nun eben dennoch keine Frauenbeauftragten werden können.