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Biografie: Winston Churchill : Der Mann, der die Nazis stoppte

Die Journalistin Franziska Augstein porträtiert die Jahrhundertgestalt Winston Churchill in einem mitreißend geschriebenen Buch als Arbeitstier - und Genießer.

06.07.2024
True 2024-07-04T19:18:51.7200Z
2 Min
Foto: picture alliance / PictureLux/The Hollywood Archive | R4820

Unbeugsam: Winston Churchill setzt im Zweiten Weltkrieg auf Sieg über Nazi-Deutschland.

"Ohne ihn wäre Großbritannien vielleicht an die Nazis gefallen", schreibt die Historikerin und Publizistin Franziska Augstein, "ohne ihn wäre der Zweite Weltkrieg anders verlaufen." Unter seiner Führung habe Großbritanniens "beharrlicher, unbeugsamer Widerstand das Ende des Nationalsozialismus vorbereitet": Die Rede ist von Winston Churchill, einer der schillerndsten, widersprüchlichsten und allemal interessantesten Gestalten des 20. Jahrhunderts.

Überragende rhetorische Begabung

Der marxistische Historiker Eric Hobsbawm soll gesagt haben, alles, was Churchill in seiner politischen Karriere angestellt habe, sei schlecht gewesen - nur eines habe er ordentlich gemacht: Er habe die Nation gut durch den Zweiten Weltkrieg geführt. Das mag Augstein so nicht stehenlassen und hat es sich deshalb zur Aufgabe als Biografin gemacht, nach Churchills Stärken Ausschau zu halten. Das mildert ihren Blick auf seine Schwächen nicht, mit deren Beschreibung sie ihre 536-Seiten-Annäherung an dieses menschliche Phänomen sondergleichen beginnt.


„Er proklamierte ein einziges Ziel: Sieg.“
Franziska Augstein über Winston Churchill

Demnach war Churchill hochmütig, aufbrausend, bei den Parlamentskollegen unbeliebt, und doch kam an seiner überragenden rhetorischen Begabung keiner vorbei. Er war großartig darin, seine Meinung zu ändern, sprunghaft, ungeduldig, ein opportunistischer, an seinem persönlichen Vorteil interessierter Karrierist, der die Partei wechselte wie andere ihr Hemd, der fast alle Regierungsämter inne hatte, die sein Land zu vergeben hatte. Ein Mensch, der immer über seine Verhältnisse lebte, schon als Kind vom Krieg fasziniert war, zu den produktivsten und bestbezahlten Journalisten gehörte und als Schriftsteller reüssierte, gar den Literaturnobelpreis erhielt. Hobbymaler war er auch. Originell, unterhaltsam, nie langweilig.

Personifikation des britischen Widerstands

War er ein Rassist, Kolonialist, Imperialist? Auch, sagt Augstein, fügt aber hinzu: "Das war er als Kind seiner Zeit." Sie beschreibt ihn als ein Arbeitstier und einen Genießer. Ein Frauenheld aber sei er nicht gewesen. Ein exzellenter Stratege, für den er sich hielt, nach Augsteins Urteil auch nicht. Und ausgerechnet dieser rabauzige politische Hallodri war es, stellt Augstein staunend fest, der als Premier im Zweiten Weltkrieg Tugenden personifizierte, die ein Durchhalten seines Landes möglich machten: Beständigkeit, Unbeirrbarkeit, Zielstrebigkeit, Entschlossenheit, "mit einem Wort: Verlässlichkeit". So wurde er zur Personifikation des britischen Widerstands, und er ließ keinen Zweifel daran, dass dieser Widerstand gegen die Nazis erfolgreich sein werde. "Er proklamierte ein einziges Ziel: Sieg."


Franziska Augstein:
Winston Churchill.
Biographie.
dtv,
München 2024;
624 S., 30,00 €


Woher stammte die Kraft, mit der er die Nation trotz schneidender Kritik durch den Krieg führte, fragt Augstein gegen Ende des Buches: Konnte er nur deshalb "groß" sein, weil er es so oft eben nicht war? War seine Kraft vielleicht untrennbar von seinen Schwächen, ja waren seine Schwächen womöglich die Quelle seiner Kraft?

Franziska Augstein ist mit diesem mitreißend geschriebenen Buch etwas großartiges gelungen: Das Bild eines einzigartigen Menschen zu malen, der Welt, die ihn hervorbrachte, der Zeit, die er prägte. Ein besonderes Lesevergnügen, das auch noch schlauer macht.

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