"Gebrandmarkt" als Graphic Novel : Die schöne Ms. White und die schwarzen Ghetto-Kids

Mit "Gebrandmarkt" legte der amerikanische Historiker Ibram X. Kendi 2016 seine hochgelobte und mit dem National Book Award ausgezeichnete "wahre Geschichte des Rassismus in Amerika" vor. Nun hat sich der amerikanische Comic-Zeichner Joel Christian Gill Kendis Werk angenommen und "Gebrandmarkt" als Graphic Novel vorgelegt.

Spätestens seit "Maus - Die Geschichte eines Überlebenden" (1986/1991) aus der Feder von Art Spiegelman oder Riad Sattoufs "Der Araber von morgen - Eine Kindheit im Nahen Osten" (2015) hat sich auch unter Bildungsbürgern, die Comics mit Ausnahme von "Asterix" eher als "Teufelszeug" abtaten, herumgesprochen, dass sich mit den Bildergeschichten auch ernsthafte Stoffe verarbeiten lassen. Und dies nicht nur für eine jugendliche Leserschaft. Spiegelmans Fabel auf den Holocaust wurde 1992 gar als erster Comic überhaupt mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Humorvoll und beklemmend zugleich

Im Gegensatz zu literarischen Comic-Romanen stand Joel Christian Gill mit "Gebrandmarkt" vor dem Unterfangen, ein politisch-historisches Sachbuch zu adaptieren. Und dies ist ihm bemerkenswert gut gelungen. Bereits mit seiner Einstiegsgeschichte, über die junge, schöne Lehrerin Ms. White, die ihrer Schulkasse von Ghetto-Kids den Rassismus quasi als Unterrichtsziel austreiben will, zeigt auf humorvolle und doch beklemmende Weise, dass für Schwarze in den USA nicht nur Rassisten, sondern auch vermeintliche "Allies" ein Alltagsproblem darstellen können.

Auch wenn sich Gill an den formalen Aufbau von Kendis Werk gehalten hat und die Entwicklung von Rassismus und Sklaverei seit den Tagen der englischen Kolonialzeit und Puritanern wie Cotton Mather im wahrsten Sinne des Wortes nachzeichnet, liefert er mit seinen in Schwarz und Weiß gehaltenen Illustrationen keine Eins-zu-Eins-Nacherzählung von "Gebrandmarkt", sondern greift auch auf andere Quellen zurück.

Ibram X. Kendi:
Gebrandmarkt.
C.H. Beck
München 2023
285 Seiten, 28,00 €