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Kurz rezensiert : "Wir sind keine Kinder verknöcherter Gemeinschaften"

Paul Richardson räumt in seinen Buch "Mythen der Geografie" auf mit falschen Vorstellungen von der politischen Einteilung der Welt.

08.04.2025
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2 Min
Foto: picture alliance/FotoMedienService

Beitrag zur Neuerforschung der Realitäten der Welt: Paul Richardson führt die Leser zu bemerkenswerten Orten auf dem Globus.

Die Geografie ist eine häufig unterschätzte Basis für politisches Handeln. So spielt in der Debatte um die Erweiterung der Europäischen Union eine wichtige Rolle, wie sich der Kontinent räumlich und kulturell definiert. Ist Europa überhaupt ein eigenständiger geografischer Raum? Oder handelt es sich, despektierlich ausgedrückt, um eine kleinteilig zerklüftete Halbinsel der asiatischen Landmasse? Gehören Russland oder die Türkei noch dazu?

Die nördliche Küste Afrikas war in der Antike ein Teil der von Griechen und Römern beherrschten Mittelmeerregion. Orientiert man sich aber an den topografischen Gegebenheiten oder an den vorherrschenden Tier- und Pflanzenarten, bildet eher die Sahara-Wüste eine natürliche Schranke. Noch ein Beispiel: Sind Nord- und Südamerika ein gemeinsamer Kontinent oder haben beide einen eigenständigen geografischen Charakter? Was ist mit der Antarktis oder mit Ozeanien? Wie unabänderlich sind solche Grenzziehungen?

Viele räumliche Imaginationen entpuppen sich als Mythen

Paul Richardson, Professor für Humangeografie an der Universität Birmingham skizziert "acht Irrtümer über die Welt, in der wir leben". Viele unserer räumlichen Imaginationen, so der Wissenschaftler, erscheinen zunächst eindeutig, bei näherer Betrachtung jedoch entpuppen sie sich als Mythen: "Sie bilden die Welt nicht so ab, wie sie tatsächlich ist, sondern lediglich eine Vorstellung von ihr." Und das hat Folgen.

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In Bezeichnungen wie "Ukraine" oder auch "Krajina", einer im Jugoslawien-Krieg stark umkämpften Region, stecken ins Deutsche übersetzt Wörter wie "Ende" oder "Rand". Beide Begriffe markieren schon sprachlich eine Grenze, eine kulturelle Scheidelinie zwischen West und Ost, zwischen Katholizismus und Orthodoxie. Vor allem an solchen geografischen Schnittstellen kommt es immer wieder zum Streit, im schlimmeren Fall auch zu militärischen Auseinandersetzungen.

Richardsons Blick ist nicht vorrangig politisch. Er ergreift keine Partei, liefert eher anregende Beispiele, originelle Geschichten und spannende Anekdoten. Sein interdisziplinärer Blick geht über die Geografie weit hinaus. Und er schreibt in bester angelsächsischer Tradition in einem populären, gut verständlichen Stil. Sein Fazit: "Wir sind keine Kinder unveränderter, verknöcherter, in der Zeit gefangener Gemeinschaften - was uns dazu drängen sollte, den kulturellen Reichtum und die unzähligen Bräuche und Verbindungen innerhalb und jenseits unserer ,nationalen' Grenzen in den Vordergrund zu stellen.

Paul Richardson: 
Mythen der Geografie. 
Acht Irrtümer über die Welt, in der wir leben. 
Piper; 
München 2025; 
320 Seiten, 22,00 €