Kurz rezensiert : Die Vermessung der Welt
Von US-Wahlkreisen bis zu Netzplänen: Die Mathematikerin Paulina Rowińska zeigt in ihrem Buch "Mapmatics", wie Karten entstehen und wie sie unser Weltbild prägen.
Von Zweiflern wird behauptet, dass man einem wissenschaftlichen Konsens nicht über den Weg trauen könne, schließlich hätten Wissenschaftler über Jahrhunderte behauptet, dass die Erde eine Scheibe sei. Wie schief dieses Argument ist, zeigt das Beispiel des griechischen Gelehrten Eratosthenes, der bereits vor 2.300 Jahren aus dem abweichenden Schattenwurf bei Mittagssonne in Brunnenschächten von Alexandria und Assuan den Schluss zog, dass die Erde keine Scheibe sei, sondern eine Kugelgestalt mit einem Umfang von etwa 40.000 Kilometern haben müsse.
Rowińska zeigt, wie Weltkarten die Größenverhältnisse der Kontinente verzerren
Erhellende Einsichten wie diese trägt Paulina Rowińska in ihrem Buch "Mapmatics" zusammen. Die am Imperial College London promovierte Mathematikerin geht der Frage nach, wie sich die Menschheit ein Bild der Erde macht, welche mathematischen und kartographischen Kniffligkeiten zu bewältigen sind, wie Karten Weltbilder prägen und welche Tücken und Unschärfen sich dabei ergeben. Da ist zum Beispiel die berühmte Mercator-Projektion, die wohl die meisten aus dem Schulatlas kennen: Eine Darstellung der Welt auf einer flachen Karte ausgebreitet. Diese im 16. Jahrhundert vom Gelehrten Geerd de Kremer geschaffene Darstellung ist nicht ohne geometrische Verrenkungen zu haben. Auch politisch hat sie eine Schlagseite, ist geradezu aufdringlich europazentrisch, verzerrt die wahren Größenverhältnisse der Länder und Kontinente.
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Paulina Rowińska:
Mapmatics.
Wie Karten unser Weltbild prägen.
Aufbau,
Berlin 2024;
448 S., 28,00 €
Vom Zuschnitt von US-Wahlkreisen bis zum Netzplan der Tube in London - Rowińska zeigt auf, dass eine Karte eben "nie die ganze Wahrheit repräsentiert" und sie legt frei, welche geometrischen und physikalischen Probleme dafür verantwortlich sind.
Mit der erfrischenden Scheuklappenfreiheit der Naturwissenschaftlerin nimmt sie die Leser mit auf eine Reise durch die Wissenschaftsgeschichte. Kein GPS auf dem Smartphone wäre ohne die Leistungen von Mathematikern wie Carl Friedrich Gauß oder Leonhard Euler denkbar, kein "Google Maps" ohne die von Willebrord van Roijen Snell gefundene Triangulation, die Landvermessung in Form von Dreiecksnetzen.
Ein Denkmal für Wissenschaftlerinnen
Ganz nebenbei setzt "Mapmatics" auch ein Denkmal für Wissenschaftlerinnen: Der dänischen Geodätin Inge Lehmann zum Beispiel, die 1936 den inneren Erdkern durch Ableitungen seismischer Messungen entdeckte oder der Geologin Marie Tharp, die bei der Kartierung des Atlantik-Meeresbodens den Beleg für die Theorie der Kontinentaldrift erbrachte. Diese Geschichte der Vermessung der Welt ist selbst eine echte Entdeckung: Unterhaltsam, informativ und horizonterweiternd.
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