Glosse : Straußsche Dissonanzen
Würde das Polit-Urgestein Franz Josef Strauß noch unter uns weilen, er würde sich wundern: Die 'Pilzköpfe' sind für US-Raketen, die Rechten machen auf Friedenstaube.
"Everybody's darling ist everybody's Depp", so zitierte ein bayerischer AfD-Abgeordneter jüngst in der "Bayerischen Staatszeitung" die bayerische Politiker-Legende Franz Josef Strauß, Übervater der CSU und langjähriger Ministerpräsident des Freistaates. Bereits vor einigen Jahren gab es Versuche der 2013 gegründeten Partei, mit Strauß-Bezug Wahlkampf zu machen, nicht zuletzt gegen dessen eigene Partei, die CSU. Dabei hat Strauß bis zu seinem Tod 1988 stets klargestellt, dass rechts neben der CSU kein Raum für eine demokratische Partei sein dürfe.
Markige Worte waren ihm nicht fremd: Zwischenrufern auf Veranstaltungen rief er entgegen "Halten's es Maul" und "Sie Pilzkopf". Insbesondere hatte er wenig Verständnis für die Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre, wenn diese etwa gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Westdeutschland mobilisierte. Strauß sah die US-Raketen damals als notwendige Abschreckung gegen die Drohungen aus Moskau. Die Friedensbewegung wähnte dagegen ein für alle todbringendes Wettrüsten. Das erinnert an heute. Allerdings würde sich Strauß wohl die Augen reiben: Grüne Führungspersonen wollen den Westen gegen die neue Bedrohung aus Moskau mit Waffen verteidigen, und die, die sich mitunter als seine Erben gerieren, machen Wahlkampf dagegen. Aus der AfD jedenfalls kommt Widerspruch, der Parteivorsitzende Chrupalla warnt, dass Deutschland zur Zielscheibe Putins werde.
Andere tragen die Friedenstaube am Revers. Das sorgt auch beim Beobachter für kognitive Dissonanzen. Ein weiteres Strauß-Zitat springt in den Kopf, gerichtet an jene, die einst gegen US-Waffen in Deutschland waren, um den Diktator im Kreml nicht zu reizen: “Die hiesigen Breschnew-Bewunderer haben weniger Hirn im Kopf, als er im Hintern hat.”