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Vor 30 Jahren... : Bundestag schließt "peinliche Lücke" im Strafgesetzbuch

Über Jahrzehnte war die Bestechung von Abgeordneten keine Straftat. Am 12. November 1993 beschloss der Bundestag, das zu ändern.

20.10.2023
2024-02-28T14:55:42.3600Z
1 Min

Es war eine, wie es der SPD-Abgeordnete Hans de With im Bundestag formulierte, "peinliche Lücke" im deutschen Strafgesetzbuch. Zwar war der Gesetzgeber schon 1953 der Auffassung, dass das Thema Abgeordnetenbestechung "einer besonderen Regelung bedürfe", so de With am 12. November 1993.

Foto: picture-alliance/dpa/Alfred Hennig

Julius Steiner (Mitte) wurde von der Stasi für seine Stimme im Bundestag bezahlt.

Zu einer Lösung konnte man sich jedoch erst 40 Jahre später durchringen. An jenem Tag verabschiedete der Bundestag bei nur einer Stimmenthaltung, dass der Kauf und Verkauf einer Abgeordnetenstimme künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet wird. Die Neuregelung galt fortan für alle Abgeordneten in Bundestag, Europaparlament, Landtagen und Kommunen.

Bekanntester Fall bei konstruktivem Misstrauensvotum gegen Kanzler Willy Brandt

Während die direkte Einflussnahme auf Richter oder Beamte längst strafbar war, war für Abgeordnete weder die aktive noch die passive Bestechung im Zusammenhang einer Abstimmung im Parlament unter Strafe gestellt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hielt den Schritt für überfällig, da solche Taten "das öffentliche Vertrauen in die Integrität der Mandatsausübung sowie in die Funktionsfähigkeit des repräsentativen Systems" missbrauchten. Der bekannteste Fall von Abgeordnetenbestechung in Deutschland hatte sich 1972 beim konstruktiven Misstrauensvotum der Union gegen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) ereignet. Der von Rainer Barzel (CDU) initiierte Versuch, den Kanzler zu stürzen scheiterte, weil ihm zwei Stimmen fehlten. Inzwischen ist belegt, dass der CDU-Abgeordnete Julius Steiner damals 50.000 D-Mark aus der DDR dafür bekam, dass er nicht für Barzel stimmte. Ost-Berlin wollte Brandt als Kanzler halten und die Ost-Verträge sichern.