Gedenken an die Opfer des Black Shabbat : Ein Becher, 364 Tote
Ein Angriff auf die Freiheit: Ein Becher vom Supernova-Festival in Israel soll im Bundestag an die Opfer des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 erinnern.
Es ist ein Gegenstand, den jeder schon mehrfach in der Hand gehalten haben dürfte. Meistens wird er nach Gebrauch irgendwo achtlos abgestellt - oder in Deutschland genervt an der Pfandstelle gegen Rückgeld eingetauscht: Ein bunt bedruckter Plastikbecher, wie man sie auf Konzerten oder Festivals am Getränkestand kaufen kann.
Ein solcher Becher steht seit dieser Woche auf einer Stele im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages, in Sichtachse des prominenten Denkmals "Grundgesetz 49" des israelischen Künstlers Dani Karavan. Ein kleiner Gegenstand, der als großes Symbol dient. Denn der Becher stammt vom Psytrance-Festival Supernova Sukkot Gathering in Israel, das beim dem Überfall der Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 zur Zielscheibe wurde.
Unscheinbarer Alltagsgegenstand mit Symbolkraft: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei der Präsentation der Gedenkstele mit dem Festivalbecher im Bundestag.
364 junge, unschuldige Menschen, die dort zum Feiern zusammengekommen waren, wurden an diesem Tag ermordet; viele weitere wurden vergewaltigt und als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt. Dieser Gewaltexzess ging als Massaker von Re'im um die Welt. An diesem Tag, der später als "Black Shabbat" (Schwarzer Samstag) in die Geschichte eingegangen ist, gab es unzählige weitere grausame Überfälle in Israel. In insgesamt 20 Kibbuzim töteten die Terroristen etwa 1300 Menschen. Der Festivalbecher, den Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei ihrem Besuch im zerstörten Kibbuz Kfar Azaa am 27. November 2023 von den Israelischen Streitkräften überreicht bekam, soll nun als Erinnerung für die vielen Opfer dieses Tages dienen.
Anfeindungen dauern an
Bei der Präsentation des Bechers am vergangenen Mittwoch berichtete Bas von den bedrückenden Eindrücken ihrer Reise und erinnerte daran, dass noch immer über 130 Menschen als Geisel vermisst werden: "Wir dürfen den Fokus, ihre Freilassung zu fordern, nicht verlieren." Die Gedenkstele solle deshalb auch als Mahnung und Erinnerung dienen. Doch der Hass gegen Jüdinnen und Juden dauert nicht nur im Nahen Osten an. Auch in Deutschland haben die Anfeindungen und Übergriffe auf jüdische Menschen oder Einrichtungen seit dem 7. Oktober wieder zugenommen.
Bas hatte zu der Präsentation des Gedenkbechers auch Studierende von Berliner Hochschulen eingeladen; viele von ihnen engagieren sich ehrenamtlich bei der Aktion Sühnezeichen. Im persönlichen Gespräch berichteten zwei Menschen, wie der Antisemitismus in ihrem Alltag seit dem Tag des Hamas-Überfalls wieder zugenommen hat. "Mein Mann und mein Sohn, die mit Stolz ihre Kippa tragen, werden immer wieder auf offener Straße angegangen", berichtete Rahel Jann, die mit ihrer Familie in Berlin-Charlottenburg lebt. Seit dem 7. Oktober hätten diesen Anfeindungen "von 0 auf 100" zugenommen, erzählte die junge Frau. Ruben Gerczikow, der als freier Medienschaffender in Berlin lebt, beschrieb massive Anfeindungen über die sozialen Netzwerke - diese reichten von Terrorverherrlichung über Holocaust-Relativierung bis hin zu Morddrohungen.
Ob sie diese Übergriffe zur Anzeige bringen? "Meistens nicht", sagte Gerczikow, zu wenig komme meist dabei rum. Er melde die Taten bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS); nur in besonders schweren Fällen erstatte er Anzeige bei der Polizei. Bas hatte in ihrer Rede davon berichtet, dass es seit dem 7. Oktober über 2000 antisemitische Straftaten gegeben hat. Nach den Berichten von Jann und Gerczikow weiß man - es müssen noch viel mehr sein.