Ortstermin am Grundgesetz-Denkmal : Glasklare Grundsätze
Es ist ein Ort, der den Verfassungstext räumlich werden lässt: "Grundgesetz 49" im Parlamentsviertel will eine Brücke zwischen Gesetzgeber und Bevölkerung schlagen.
Transparent und öffentlich: Das Denkmal "Grundgesetz 49" des israelischen Künstlers Dani Karavan ist vom Reichstagsufer aus zugänglich.
75 Jahre ist es her, dass der Parlamentarische Rat das Grundgesetz erarbeitet hat; im kommenden Jahr wird das Jubiläum seiner Verkündung am 23. Mai 1949 gefeiert. Seit jenem Tag ist es allgemeingültig und elementar für die deutsche Demokratie. Doch sichtbar, greifbar ist es kaum. Es gibt jedoch einen Ort, der den Verfassungstext räumlich werden lässt: das Denkmal "Grundgesetz 49" des israelischen Künstlers Dani Karavan an der Promenade zwischen Spree und Jakob-Kaiser-Haus.
Denkmal rückt in den Fokus von Aktivisten
Dort stehen 19 rund drei Meter hohe Glastafeln, in die der Text der Grundgesetzartikel mit Laser eingraviert ist. Transparent sind die Scheiben, in denen die Worte zu schweben scheinen; vom Gehweg kann man durch sie hindurch auf die Büros die Abgeordnetenhauses blicken. Die Verbindung von Innen und Außen betonte Karavan zudem durch strahlenförmige Bodenstrukturen, Grasstreifen, die von Stahlbändern eingefasst sind und aus dem Hofbereich des Jakob-Kaiser-Hauses heraus unter den Glasplatten hindurch bis zum Spreeufer verlaufen und so auch die Verbindung von Gesetzgeber und Bevölkerung deutlich machen.
Das Denkmal, das 2003 fertiggestellt wurde, war in den vergangenen Wochen wieder mehr in den Fokus gerückt worden: Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" hatten es Anfang März und Anfang Mai mit schwarzer und roter Farbe beschmiert; sie kritisierten damit das aus ihrer Sicht unzureichende Handeln der Politik in Sachen Klimaschutz: "Diese Regierung zerstört unsere Lebensgrundlagen", teilte die "Letzte Generation" nach der zweiten Aktion mit, die kurzzeitig rote Handabdrücke an den Scheiben hinterließ.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und andere Spitzenpolitiker hatten die Angriffe auf das Denkmal verurteilt. "Ein Kunstwerk mit unserem Grundgesetz wurde beschmiert. Das empört mich, und dafür fehlt mir jedes Verständnis", sagte Bas nach der ersten Aktion im März.
Angemeldete "Kunstaktion" sorgt erneut für große Polizeipräsenz
Am diesjährigen Tag der Verkündung des Grundgesetzes sorgte eine angemeldete "Kunstaktion" erneut für große Polizeipräsenz vor dem Denkmal. Vertreterinnen und Vertreter von "Fridays for Future" waren mit einer selbst angefertigten Glasscheibe angereist, auf der Artikel 20a des Grundgesetzes steht: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
Karavans Werk umfasst nur die ursprünglichen 19 Grundgesetzartikel aus dem Jahr 1949, spätere Grundgesetzänderungen sind nicht zu finden. Deshalb forderten die Klima-Aktivistinnen und -aktivisten von "Fridays for Future" mit ihrer Glasscheibe, den Artikel 20a am Denkmal zu ergänzen.
Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Bundestages, bezeichnet Dani Karavan, 1930 in Tel Aviv geboren und 2021 gestorben, als "einen der bedeutendsten internationalen Künstler, der Landschafts- und Stadträume zu neuen Erfahrungsräumen zu gestalten weiß". Das Mahnmal zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma, das nahe dem Reichstagsgebäude steht, stammt ebenfalls von Karavan. Die dort ebenfalls verbauten gravierten Scheiben tragen unverkennbar seine Handschrift.