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Foto: DBT / Presse-Service Steponaitis
Abstimmung in der Bonn-Berlin-Debatte: Wolfgang Thierse (SPD) spricht am 20. Juni 1991 im Plenarsaal im Wasserwerk in Bonn.

Tagungsorte des Parlaments : Hier hat der Bundestag Station gemacht

Von Bonn bis Berlin: Die Tagungsorte des Bundestages spiegeln den Wandel der deutschen Geschichte und die Entwicklung der Republik wider.

30.08.2024
True 2024-08-30T15:18:13.7200Z
3 Min

Am 20. Juni 1991 stand der Deutsche Bundestag vor einer Entscheidung von historischer Tragweite. Die Frage, welche die Abgeordneten bewegte, lautete: Sollte der Sitz von Parlament und Regierung in Bonn bleiben oder nach Berlin ziehen? Der Grünen-Abgeordnete Konrad Weiß brachte die Haltung vieler Berlin-Verfechter auf den Punkt, als er im Plenum sagte: "Für Bonn, meine Damen und Herren, spricht viel, aber für Berlin spricht alles. Es gibt keine Alternative für Deutschlands schlagendes Herz."

Warnungen vor den Umbrüchen für Berlin

Doch so eindeutig wie Weiß sahen es nicht alle Abgeordneten. Einige Politikerinnen und Politiker warnten eindringlich vor den Herausforderungen, die ein Umzug nach Berlin mit sich bringen würde. So argumentierte Norbert Blüm (CDU): “Lasst dem kleinen Bonn Parlament und Regierung! Bonn verliert mit Bundestag und Regierung viel. Berlin gewinnt mit Bundestag und Regierung viele neue Probleme: Wohnungsprobleme, Raumordnungsprobleme, Infrastrukturprobleme.”

Foto: picture-alliance/Gerhard Rauchwetter (1) / dpa/Günter Bratke (2) / ullstein bild/Gisbert Paech (3) / dpa/Elmar Hartmann (4) / AP/Markus Schreiber (5) / Daniel Kalker (6) /ZB/Peer Grimm (7) / dpa/Uta Rademacher (8) / dpa/Kay Nietfeld (9)

1. Zeile (v.i.n.r.): Alter Plenarsaal in Bonn, Technische Universität Berlin, Wasserwerk Bonn, 2. Zeile (v.l.n.r.): Bundestag in Bonn am Rhein, Umzugskartons des Bundestages, Liegenschaften des Bundestages in Berlin an der Spree, 3. Zeile (v.l.n.r): Reichstagsgebäude in Berlin vor Umbau, neuer Plenarsaal in Bonn, heutiger Plenarsaal im Reichstagsgebäude in Berlin.

Bonn, die beschauliche Stadt am Rhein, stand für Stabilität und hatte sich über die Jahrzehnte als Regierungssitz etabliert. Auch die Nähe zu den mittlerweile bewährten Partnern in Paris und Brüssel sahen viele der Bonn-Befürworter als großen Vorteil. Die geschichtsträchtige Metropole Berlin hingegen verkörperte für die Umzugs-Unterstützer die Hoffnung auf die Vollendung der deutschen Einheit und einen Neuanfang der wiedervereinten Bundesrepublik.

Bonn-Berlin-Umzug: eine logistische Meisterleistung

Am Ende fiel das Ergebnis denkbar knapp aus: Mit 338 zu 320 Stimmen entschied sich der Bundestag für Berlin. Es gab eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Der sogenannte Hauptstadtbeschluss von 1991 leitete eine neue Phase in der Geschichte des Deutschen Bundestages ein; er ebnete den Weg für den Umzug nach Berlin, der im September 1999 vollzogen wurde - eine logistische Meisterleistung der besonderen Art. So mussten 50.000 Kubikmeter Mobiliar, 50.200 Bücherkartons und 584 Tresore mit sicherheitsrelevanten Inhalten von Bonn nach Berlin transportiert werden.

Der Umzug markierte das Ende einer über 40 Jahre währenden Epoche: In Bonn trat am 7. September 1949 das Parlament der jungen Bundesrepublik erstmals zusammen. Der Plenarsaal im Bonner Bundeshaus diente bis zum 27. Juni 1986 als Tagungsort und wurde zum Symbol für den demokratischen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ausweichen auf Sendesaal des Nordwestdeutschen Rundfunks in Köln nötig

Wegen Umbau- und Renovierungsarbeiten mussten die Sitzungen des Bundestages jedoch zeitweise in anderen Räumlichkeiten stattfinden. So wurde eine Sitzung am 29. Juli 1952 in den großen Sendesaal des Nordwestdeutschen Rundfunks nach Köln verlegt. Von Herbst 1986 an tagte der Bundestag dann aufgrund umfänglicher Sanierungsarbeiten am Plenarsaal im provisorisch umgebauten Bonner Wasserwerk, einer ehemaligen Pumpstation - bis am 30. Oktober 1992 schließlich der neue Plenarsaal in Bonn eröffnet wurde. Dieser blieb bis zum Umzug nach Berlin im April 1999 Tagungsort des Parlaments.

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Doch immer wieder zog es die Abgeordneten schon vor der Wiedervereinigung nach Berlin: In den Wahlperioden von 1953 bis 1965 fanden mehrere Sitzungen des Bundestages in der Technischen Universität in Berlin-Charlottenburg und in der Berliner Kongresshalle statt. Die Sitzungen in der geteilten Stadt waren politisch hochsensibel, da Berlin in der Zeit des Kalten Krieges Schauplatz internationaler Spannungen war. Auf Wunsch der Alliierten gab es ab 1965 bis zur Einheit daher keine Sitzungen mehr in der Stadt an der Spree. 

Seit 1999 tagt der Bundestag dauerhaft im Reichstagsgebäude

Am 4. Oktober 1990, nur einen Tag nach der Wiedervereinigung, kam das Parlament wieder in Berlin zusammen, um dieses historische Ereignis zu feiern. Bis 1994 wurden immer wieder Sitzungen in Berlin abgehalten, um die wachsende Bedeutung der Stadt als politisches Zentrum zu unterstreichen. Seit dem 8. September 1999 tagt der Bundestag dauerhaft im Reichstagsgebäude. Das geschichtsträchtige Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach der Wiedervereinigung aufwendig renoviert.

Auch wenn Bonn nach dem Umzug seine Rolle als Parlaments- und Regierungssitz verlor, bleibt es ein politisch bedeutendes Zentrum Deutschlands. In der Stadt haben weiterhin sechs Bundesministerien ihren Sitz, die das politische Erbe Bonns lebendig halten.