Planspiel "Jugend und Parlament" im Bundestag : Wenn 300 Jugendliche parlamentarische Demokratie üben
300 Jugendliche schlüpfen in die Rolle von Abgeordneten. Dabei lernen sie, Reden zu halten, Gesetze abzustimmen und wie schwierig es oft ist, Kompromisse zu finden.
Zeit der Entscheidung im Bundestagsplenum: Bei "Jugend und Parlament" lernten rund 300 junge Menschen die parlamentarische Demokratie aus nächster Nähe kennen.
Es braucht einen zweiten Blick, um zu erkennen, dass es sich nicht um Abgeordnete handelt, die an diesem Dienstagvormittag im Plenarsaal streiten. Dort, wo gewöhnlich die Parlamentarier diskutieren und wichtige Entscheidungen fällen, sitzen nun mehr als 300 Jugendliche. "Ich finde das wirklich erfrischend. Nicht nur, dass hier mehr Engagement da ist als bei unseren Plenartagungen, es ist teilweise auch wirklich inhaltsvoller als das, was ich sonst zu hören kriege", sagt Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der diese ganz besondere Plenardebatte leitet.
Jugend und Parlament findet erstmals nach vier Jahren wieder im Bundestag statt
Die Veranstaltung "Jugend und Parlament" hat nach einer vierjährigen Pause wieder im Bundestag stattgefunden. An vier Tagen lernten die Teilnehmenden in einem groß angelegten Planspiel parlamentarische Demokratie kennen. Dafür schlüpften die Jugendlichen in die Rollen von fiktiven Abgeordneten. Es wurde viel diskutiert, ausgehandelt und gestritten. Reden wurden geschrieben und vorgetragen. Und es wurde über vier Gesetzentwürfe abgestimmt. Dabei lernten die Jugendlichen etwa, wie sie Mehrheiten gewinnen können und was genau Fraktionszwang eigentlich bedeutet.
Um das Erlebte der vier Tage mit der Realität abzugleichen, hatten die Jugendlichen nach der Plenardebatte die Möglichkeit, mit acht Bundestagsabgeordneten zu sprechen. Zu Beginn der Diskussion fragte Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtbüros und Moderator der Podiumsdiskussion, wer sich vorstellen könnte, Politiker zu werden. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen rissen die Hände in die Luft. Ob es auch nach dem Realitätscheck noch dabei bleibt?
Kompromisse finden und Konflikte managen
Viele der Jugendlichen berichteten von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, die sie während des Planspiels erlebt haben. Kompromisse zu finden, sei nicht immer einfach gewesen. Rolf Mützenich stimmte der Beobachtung zu und sagte, dass ein Großteil seiner Arbeit als Fraktionsvorsitzender der SPD im Managen von Konflikten bestehe.
Hendrik Hoppenstedt von der CDU gab zu, dass manchmal fünf Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch liegen, von denen ihn teilweise keine überzeuge. "Aber das ist das Anstrengende und Schöne an der Demokratie: Man muss sich bemühen, Mehrheiten zu finden." Auch Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: "Der Kompromiss ist das Wesen der Demokratie." Und Klaus Ernst (BSW) erklärte, dass es wichtig sei, dass der inhaltliche Kern einer Partei in einem Kompromiss sichtbar bleibt, um den Willen des Volkes, das diese Partei gewählt hat, nicht zu übergehen.
Abgeordnete erzählen von persönlichen Erlebnissen, Erwartungen und Vorurteilen
Neben Fragen zur Bedeutung von Landesgruppen wollten die Jugendlichen vor allem mehr über persönliche Erfahrungen der Abgeordneten wissen. Wie war es für sie, als sie im Bundestag angefangen haben - kannten sie die anderen Abgeordneten bereits? Und wie gehen sie mit Hass gegen Politikerinnen und Politiker um?
Ria Schröder (FDP) erinnerte sich, dass sie bei ihrem Einzug in den Bundestag 2021 viele Erwartungen, aber auch Vorurteile gegenüber einigen Abgeordneten hatte. Im Umgang mit Hass plädierten Schröder sowie die Abgeordneten dafür, sich gegenseitig zuzuhören. Alice Weidel (AfD) riet zudem: “Man sollte sich eine Prise Resilienz und Gelassenheit antrainieren. Es gibt Auseinandersetzungen, in denen man etwas abbekommt. Aber gleichzeitig haben wir als Opposition die Aufgabe zu kritisieren und den Finger in die Wunde zu legen.”
Wie mit Stress und hohen Belastungen umgehen?
Auch nach dem Umgang mit hoher Arbeitslast und Stress fragten die Jugendlichen. Dorothee Bär (CSU) berichtete von ihren Bemühungen, jeden Tag mindestens 10.000 Schritte zu machen - egal, ob in Berlin oder dem eigenen Wahlkreis. Heidi Reichinnek (Die Linke) gab hingegen zu, dass es ihr in Sitzungswochen schwerfalle, zu entspannen. "Ich lese gerne Fantasybücher und höre Metal, und mich mit Freundinnen und Freunden zu verabreden, hilft, um Abstand zu bekommen."
Zum Schluss fragte Moderator Markus Preiß noch einmal, wie viele der Teilnehmenden sich eine Zukunft als Abgeordnete vorstellen können. Wieder rissen die Mehrheit der Jugendlichen ihre Hände in die Luft - die Realität scheint sie nicht abzuschrecken.