Parlamentarisches Profil : Der Gewerkschafter: Bernd Riexinger
Der Linken-Politiker fährt gerne Bahn und hat viele Ideen, wie die Schiene wieder zukunftsfähig gemacht werden kann - auch für besseren Klimaschutz.
Es gibt Lebensläufe, die sind angefüllter als andere. Bei jenem von Bernd Riexinger muss man nicht ohne Grund auf der Website runterscrollen. Politisches Engagement seit 15, Gewerkschaft, zwei Parteien - es kommt einiges zusammen. Es ist Freitagmorgen um 8.30 Uhr als Riexinger, 67, Abgeordneter der Linken, aus seiner Stuttgarter Heimat anruft - sein erstes Telefonat an diesem Tag. "Morgens muss ich nach Berlin fliegen, sonst müsste ich schon am Vortag anreisen", sagt er über seinen Dienstweg zu den Sitzungswochen in Berlin. "Für den Rückweg schaue ich dann, wann ich loskomme und nehme am liebsten die Bahn." Die Südwest-Strecke ist auf Gleisen nicht gerade Lichtgeschwindigkeit. Und dann noch die notorischen Verspätungen: "Letzte Woche fuhr ich von Hamburg nach Berlin, und der Zug hatte am Ende nur 15 Minuten Verspätung", erinnert sich Riexinger. "Das gilt ja mittlerweile als pünktlich."
Riexingers Vorschlag: Umwandlung der Bahn in eine Körperschaft öffentlichen Rechts
Der Linken-Politiker mit Sitz im Verkehrsausschuss hat zur Bahn ein paar Ideen. "Ich würde die Bahn in eine Körperschaft öffentlichen Rechts umwandeln. Netz und Betrieb in der Bahn belassen und den Wettbewerb abschaffen - wie in der Schweiz: Die Bahn soll gemeinnützig werden, mit dem Auftrag, den Bürgern eine Mobilität zu garantieren." Das würde kosten. "Nicht nur um 45 Milliarden Euro, sondern um hundert Milliarden würde ich aufstocken. Der Investitionsstau ist immens." In der aktuellen Bahnpolitik sieht Riexinger eine falsche Philosophie. "Bundesverkehrsminister Volker Wissing will alles ausbauen, er muss wegen des Schwerlastverkehrs allein 10.000 Brücken sanieren, will aber auch Autobahnen ausbauen. Die Bürger sollen seiner Meinung nach dann entscheiden, was sie nutzen. Ich finde aber, dass der Autoverkehr perspektivisch zu halbieren ist."
Riexinger ist ein Linker mit grünem Herz. "Schon jetzt haben wir in Deutschland eine Erwärmung um 2,3 Grad Celsius, in den Städten noch mehr. Die älteren Menschen müssen sterben, wenn sie angeschlagen sind." Was sagt er zu den Kämpfen in seiner Partei ob eines ökologischen Kurses? Gerade der Flügel um Sahra Wagenknecht warnt davor, die Partei werde grüner als die Grünen. Er lacht. "Es ist nicht schwierig, grüner als die Grünen zu sein. Die Grünen versagen gerade vor dem Kern ihres Klimaprogramms. Das Klimaproblem ist kein elektorales, sondern ein objektiv-elementares."
Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie
Politisch war er seit seiner Jugend. In einer Arbeiterfamilie in Leonberg bei Stuttgart aufgewachsen, entwickelte sich der Junge zur Leseratte. Ein Patenonkel hatte ihm mit zwölf ein Buch über die Ritter der Tafelrunde geschenkt; da war es um ihn, der zuhause nicht gerade mit Büchern zugestellt wurde, geschehen. Politisch interessiert ist er seit dem Alter von 15 Jahren, mit 18 folgte ein Engagement für ein selbstverwaltetes Jugendhaus, später das Engagement in der Lehrlingsbewegung.
Wegen dieser Kämpfe wollte ihn die Bausparkasse, bei der er in Ausbildung war, nicht übernehmen. Nach Protesten und einem Gerichtsprozess musste sie es doch. Mit diesen Erfahrungen musste Riexinger wohl Gewerkschafter werden, er arbeitete seit 1991 als Sekretär für Verdi. Als die rot-grüne Regierung in den Nullerjahren die "Agenda 2010" durchsetzte, gründete Riexinger mit anderen die WASG, die dann mit der PDS zur Linken fusionierte. Von 2012 bis 2021 stand er der Partei als Bundesvorsitzender vor. "Die ersten Jahre meines Parteivorsitzes war ich ohne Mandat. Das war gut, so konnte ich mich auf die Partei konzentrieren", sagt er. "Aber in der Bundestagsfraktion gab es Verselbständigungen. Daher wollte ich auch in den Bundestag. Dies aber in der Fraktion abzudämpfen, ist mir nur bedingt gelungen."
Seit 2017 ist er Bundestagsabgeordneter. "Eigentlich wollte ich Klima machen, der Ausschuss war aber belegt. Und Verkehr hat viel mit Klimaschutz zu tun." Für ihn eine Zukunftsbranche: "Verkehr war im Bundestag und auch in unserer Fraktion ein Mauerblümchen. Das hat sich geändert. Noch nie gab es so viele Debatten über die Bahn und den Verkehr im Bundestag wie nun."