Parlamentarisches Profil : Der Hartnäckige: Victor Perli
Der umverteilungspolitische Sprecher der Linken findet, die Entlastungspakete der Ampel entlasten die Vermögendsten am meisten anstatt Gering- und Normalverdiener.
Es gibt nur wenige Abgeordnete, für die Politik kein Herzblut bedeutet. Victor Perli aber ist einer, der mit einer besonders grundsätzlichen Leidenschaft Berufspolitik betreibt, und das liegt nicht nur an seinem Amt als "umverteilungspolitischer Sprecher" der Linksfraktion im Bundestag - aber auch. Solch ein Begriff ist ein Auftrag.
Victor Perli (Linksfraktion) ist seit 2017 Mitglied im Bundestag. Er sitzt im Haushaltsausschuss.
Es ist Haushaltswoche, den Abgeordneten liegen 3.289 Seiten Papier mit vielen Zahlen vor, am Ende summieren sie sich auf 476 Milliarden Euro. Ein Schwergewicht also , und das ohne die "krisenbedingten Sonderbelastungen", 100 Milliarden Euro für die Streitkräfte und 200 Milliarden Euro, um zum Beispiel die geplanten Strom- und Gaspreisbremsen zu finanzieren, den "Doppel-Wumms" von Kanzler Olaf Scholz. Aber ist es auch einer für Perli?
Perli spricht von "Entlastungspäckchen" der Ampel
Der 40-jährige Niedersachse zeigt sich nicht beeindruckt. "Wer es schon vor dem Ukrainekrieg schwer hatte, über die Runden zu kommen, weiß heute nicht, wovon er am Ende des Monats leben soll", argumentiert das Mitglied des Haushaltsausschusses. In dieser Krise müsse man viel Geld in die Hand nehmen, "damit Menschen nicht frieren müssen und Arbeitsplätze und Betriebe gesichert werden. Die Entlastungspäckchen der Ampelkoalition entlasten aber ausgerechnet die Vermögendsten am meisten anstatt Gering- und Normalverdiener, die auf jeden Euro achten müssen."
Ein Wumms oder gar ein Doppelwumms sieht für Perli offenbar anders aus. Was würde er am aktuellen Haushalt am liebsten ändern? "Es gibt keine Steuergerechtigkeit, selbst eine kurzfristige Übergewinnsteuer steht noch in den Sternen. Wir fordern die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Das würde sofort gegen die Inflation wirken." Vorschläge hat er, der Wolfenbütteler. Geboren in Bad Oeynhausen, war der Sohn einer italienisch-niederländischen Arbeiterfamilie im Alter von elf Jahren dorthin gezogen - und fand sich in einem politisierten Schulumfeld wieder. "In der Schule wurde sehr lebhaft diskutiert.
In meinem Jahrgang waren fast alle politischen Jugendorganisationen vertreten. Ein Mitschüler von mir landete später für die Grünen im Europaparlament, einer für die FDP im Landtag, ein anderer wurde Bundesgeschäftsführer der Schüler-Union." Der Pennäler Perli organisierte Demonstrationen für bessere Bildung, gegen die Kriege in Jugoslawien und Afghanistan. Politisch organisierte Heimat wurde ihm die neugegründete sozialistische Jugend ['solid], 2001 trat er der PDS bei und war ab 2003 Bundessprecher der Linksjugend.
Erstmalige Wahl: Mischung aus Zufall und Glück
War ihm damals klar, dass es auf Berufspolitik hinauslaufen würde? "Die Frage stellte sich damals nicht", erwidert er. "Die damalige linke Partei PDS war nicht mal im Bundestag vertreten. Meine erstmalige Wahl in ein Parlament war eine Mischung aus Zufall und Glück. 2008 kandidierte ich bei der Landtagswahl als Jugendkandidat auf einem hinteren Listenplatz. Wir holten überraschend starke 7,1 Prozent." Als die Partei 2013 wieder aus dem Landtag ausschied, war Perli schon im Kreistag des Wolfenbütteler Landkreises, machte Kommunalpolitik, wo er Gefallen daran fand, "mich für Menschen einzusetzen, die keine große Lobby haben und deren Interessen in der Politik häufig zu kurz kommen".
Gegen die mit der Lobby, das wurde wohl eine Lebensaufgabe. Seit 2017 sitzt er im Bundestag. Perli eckt an, geht auch investigativ vor, enthüllte Unternehmensentwicklungen eines Autobahnraststättenbetreibers und stellte gemeinsam mit dem mittlerweile aus der Linkspartei ausgetretenen Fabio De Masi Strafanzeige gegen den damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) - im Kontext von dessen Mautplänen. Der studierte Politikwissenschaftler ist präsent, wenn er Unrecht oder fehlende Transparenz sieht. Nur wenn es um die inneren Querelen seiner eigenen Partei geht, wird er schmallippig. Eine Einschätzung dazu lehnt er ab. "Fragen zu internen Partei- und Fraktionsangelegenheiten beantworte ich grundsätzlich nicht." Nun ist eine Partei keine Privatfirma. Aber jede Transparenz kennt ihre Grenzen.