Parlamentarisches Profil : Der Kreisläufer: Hannes Walter
Der Sozialdemokrat aus Brandenburg kennt das Leben auf dem Land. Er will für seine Region die Transformation - und kennt ihre Risiken.
An die Einigung für den Haushalt im Jahr 2024 tastet er sich heran wie ein Handballer vor den Gegenspielern an der Kreislinie. "Eher gemischt", lautet Hannes Walters erste Bilanz. "Eine Lockerung der Schuldenbremse wäre gerechtfertigt gewesen", sagt der 39-Jährige. Einerseits bestünden nun allgemeine Gewissheit und auch spezielle Sicherheit für die geplanten Milliardenhilfen zum Bau von Chipfabriken in Ostdeutschland. "Aber ich sehe andererseits noch nicht, dass wir die vielen Krisen, mit denen wir gerade konfrontiert sind, überwunden haben."
Hannes Walter vertritt seit 2021 den Wahlkreis Elbe-Elster - Oberspreewald-Lausitz II.
Es ist Donnerstagvormittag, im Modulbau der Adele-Schreiber-Krieger-Straße sitzt Walter aufrecht auf dem Stuhl. Der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses hatte mit seinen Sozialdemokraten für mehr Schulden getrommelt. Aber die Abwehr der FDP stand. "Ich glaube nicht, dass wir das Thema diese Legislatur noch anpacken", sagt er pragmatisch. "Obwohl uns die Klimakrise und die Transformation noch lange beschäftigen werden."
Ohne Zuzug wird es nicht gehen
Walter kommt aus dem Wahlkreis Elbe-Elster - Oberspreewald-Lausitz II in Brandenburg, den er 2021 direkt gewann und seitdem im Bundestag sitzt. Als ländlich und kleinteilig beschreibt er seine Region - eine mit Herausforderungen: "Viele Inhaber gehen in Rente, da muss die wirtschaftliche Infrastruktur aufrechterhalten werden." Ohne Zuzug, fügt er hinzu, werde es nicht gehen. Sein politisches Engagement begann mit 18 Jahren, "da hatten wir jungen Leute den Eindruck, im Dorf macht man zu wenig für die Jugendlichen". Walters Clique, nicht wenige wie er im lokalen Handballverein TSV Germania Massen aktiv, gründete den ersten SPD-Ortsverein. "Die CDU gab es schon, die war für uns nicht so interessant, auch schreckte damals die propagierte Herdprämie für Hausfrauen ab", erinnert er sich. Bald zog er in den Gemeinderat ein. Das war im Jahr 2003, und es war auch ein Jahr großer Sorgen - mit denen Walter die Hartz-IV-Reformen verknüpft. Damals herrschte in seiner Region eine Arbeitslosigkeit von 20 Prozent; heute sind es 6,5 Prozent. "Viele Leute haben die Befürchtung, dass es wieder so schlimm wird wie vor 20 Jahren. Damals gab es eine Transformation, und heute spricht man wieder davon - das verunsichert."
Walter ist keiner, der sich im Gespräch aufdrängt, sondern eher zurückhaltend bleibt, höflich. Sich Zeit nimmt. Neben ihm an der Wand hängt ein Plakat mit einem Mann am Steuerrad. "Fester Kurs für die Republik!", steht dort geschrieben. "Wählt Otto Braun!" "Er hat ein großes Land zusammengehalten, damit ist er ein Beispiel", sagt Walter über den SPD-Ministerpräsidenten des Freistaats Preußen.
Die Liebe zum Handball liegt in der Familie
Besonders viel über Politik habe man im Elternhaus nicht diskutiert. "Mein Opa war aber viele Jahre in der Gemeindevertretung aktiv, vielleicht hab ich das Engagement von ihm." Der sei indes bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft gewesen, "meine SPD-Mitgliedschaft hat er so hingenommen".
Die Basisarbeit war erfolgreich. Mittlerweile stellt der 2003 gegründete Ortsverband den Bürgermeister. Walter hatte im Dorf die Realschule besucht und dann eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolviert. "Ich war damals etwas schulmüde", sagt er. Dann aber habe er gemerkt, dass er doch noch anderes machen wolle. Holte seine Fachhochschulreife nach, studierte Betriebswirtschaftslehre bis zum Bachelor und arbeitete als Recruiter sowie Personalberater in verschiedenen Unternehmen; dann das Masterstudium. 2014 schließlich stieg er in den handwerklichen Familienbetrieb "Automobile Walter & Sohn" in Massen ein, in der kaufmännischen Geschäftsführung für die Rechnungsstellung, Buchhaltung und Kundenbetreuung zuständig.
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Noch heute spielt Walter aktiv Handball im Verein - wie vor ihm Vater, Onkel, Tanten und die Großeltern. Und er trainiert auch mit einem Kollegen die erste Männermannschaft. Auf dem Schreibtisch thront der rote Vereinsschal. Er ist Kreisläufer, also im Angriff, muss Lücken in der gegnerischen Abwehr schlagen. "Diese Erfahrungen haben fürs Abgeordnetenamt nicht geschadet", scherzt er.