Parlamentarisches Profil : Der Mittige: Markus Herbrand
Markus Herbrand ist Finanzexperte der FDP-Fraktion. Trotz Inflation will er an der Schuldenbremse festhalten.
Wenn Leute wie Markus Herbrand Krisen beschreiben, greifen sie nicht zum groben rhetorischen Besteck. "Man hörte und roch die Katastrophe", erzählt er über die Nacht im Sommer 2021, als in der Eifel und anderswo die Fluten kamen und auch bis in den Keller seines Wohnhauses strömten, "wegen der schwimmenden Öltanks". Oder über die aktuelle Inflation, als er sagt: "Wir Politiker werden verstärkt angeschrieben, erfahren viel von den Ängsten der Leute. Das macht was mit einem." Herbrand, 51, FDP-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Euskichen - Rhein-Erft-Kreis II, redet ruhig und ernst zugleich. Das macht die Probleme nicht kleiner. Aber besser abgeholt fühlt man sich schon. Vielleicht ist es der Eindruck der Besonnenheit.
Markus Herbrand ist Mitglied im Deutschen Bundestag und seit 2021 finanzpolitischer Sprecher der FDP sowie Obmann seiner Bundestagsfraktion im Finanzausschuss.
Mehr für die kleinen Firmen tun
Es ist Freitag um 9:30 Uhr, am Ende einer Woche im Zeichen der Zahlen spricht Herbrand über den Krisenmodus seiner Zunft. "Es ist die schwerste Zeit für mich als Parlamentarier seit meinem Einzug 2017." Auf einen Virus habe man reagieren müssen, und auf einen "durchgeknallten Despoten" in Moskau. "Dabei wollen wir Politiker ja eigentlich gestalten."
Herbrand, finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion und Obmann im Finanzausschuss, erkennt in der Inflation noch keinen Anlass für das Aussetzen der Schuldenbremse. "Gerade für die kleinen Firmen muss noch was getan werden, und zwar schnell", sagt er. "Noch haben wir keinen Einbruch des Wirtschaftswachstums." Einen wichtigen Hebel sieht er in der vom Kabinett beschlossenen Strompreisbremse. "Das ist ein wichtiger Eingriff in ein Design, das man seit dem Krieg nicht mehr ernst nehmen kann", sagt er mit Blick auf den Umstand, dass die teuerste Stromproduktion, derzeit Gas, den Gesamtpreis für Strom diktiert. "Gerade die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas ist ein Ausgleich für die Gas-Umlage und wird bei den Verbrauchern ankommen."
Um Herbrand kennenzulernen, schaut man besser nicht auf seine Website. "Mein Leben in Zahlen" steht da, wie man es von einem Diplom-Finanzwirt erwartet. Sein Lebenslauf umfasst dürre 18 Worte, samt der Hobby-Information "Musik aller Kategorien". Doch dem Realitätscheck hält die Internetseite nicht stand. "Ich weiß gar nicht, ob ich so von Zahlen und Verwaltung fasziniert bin", sagt er. Er erzählt von seinen Leistungsfächern Mathe und Geschichte im Abitur und seiner größeren Leidenschaft für letzteres. Und wie am Dienstagabend ein Termin ausfiel, er spontan die Veranstaltungstipps in Berlin studierte und dann zum Konzert einer seiner Lieblingsbands ging, "Riverside heißt die, am meisten höre ich dann doch Progessive Rock."
Ausbildung in der Finanzverwaltung, Studium an der Fachhochschule für Finanzen
Nach dem Abitur entschied er sich für eine Ausbildung bei der Finanzverwaltung NRW im gehobenen Dienst samt einem Studium an der Fachhochschule für Finanzen, danach habe er gewusst, dass es für ihn Reizvolleres als die Verwaltung gebe. "Die langatmigen Entscheidungswege waren nichts für mich." Herbrand absolvierte den Zivildienst, sondierte die Lage und entschied sich "fürs Geld": Er heuerte bei einem Wirtschaftsprüfer an. Wurde dann selbständiger Steuerberater mit acht Angestellten. Es war die Zeit, in der begann, sich in die Kommunalpolitik einbringen zu wollen. "Ich wollte bei dem mitbestimmen, was vor Ort geschieht." Da habe er die Parteiprogramme nach der größten Schnittmenge gesucht, "zu 100 Prozent findet sich niemand in einem wieder, das glaube ich keinem" - und kam zur FDP wegen der ihn am überzeugendsten Frage, ob sich der Staat um alles kümmern müsse. Herbrand holte Direktmandate, saß im Stadt- und im Kreisrat. Das sprach sich herum. Nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag im Jahr 2013 beteiligte er sich am Neuaufbau, wurde Bezirksverbandsvorsitzender und kandidierte 2017 für Berlin.
Und, ist der Staat nun ein Kümmerer? "Doch", antwortet er, "überall dort, wo die Einzelnen überfordert sind, bringt er sich ein. Bei Corona, der Inflation oder der Flutkatastrophe 2021 war er ja da und sprang ein". Ein Politikgespräch in diesen Zeiten dauert halt doch nur ein paar Minuten, bis es wieder um eine Krise geht.