Engpässe in Kitas : Fünf Fragen zur: Gewinnung von Kita-Personal
Im Jahr 2020 haben 41.000 junge Menschen eine Erzieherausbildung begonnen. Kirsten Fuchs-Rechlin vom Deutschen Jugendinstitut erklärt, warum das allein nicht reicht.
#1
Frau Fuchs-Rechlin, den Kitas mangelt es an Personal. Laut einer Bertelsmann-Studie fehlen mehr als 230.000 Fachkräfte bis 2030. Wie lässt sich diese Lücke schließen?
Kirsten Fuchs-Rechlin: Es gibt unterschiedliche Prognosen, wie groß die Lücke sein wird. Die Arbeitsstelle Kinderund Jugendhilfestatistik, mit der das DJI zusammenarbeitet, geht von etwa 20.000 bis 70.000 fehlenden Fachkräften bis 2025 aus. In Anbetracht der wachsenden Zahl der vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Familien zeichnet sich jedoch bereits jetzt zusätzlicher Bedarf ab. Auch durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 werden wir mehr Personal brauchen. Fakt aber ist: Wie groß die Lücke auch sein mag, schließen lassen wird sie sich nicht allein durch Ausbildung – auch wenn die Zahlen seit Jahren steigen. 2020 haben erstmalig 41.000 junge Menschen eine Erzieherausbildung begonnen. Ein Rekord! Erreicht wurde dies durch die Öffnung verschiedener Zugangswege. Voraussetzungen der Vorbildung wurden gelockert und dualisierte Ausbildungsformate eingeführt.
#2
Einige Bundesländer erproben die praxisintegrierte, vergütete Ausbildung...
Kirsten Fuchs-Rechlin: Ja, und das mit Erfolg. Jedoch zeichnet sich inzwischen eine gewisse Kapazitätsgrenze ab - auch weil es an Lehrkräften fehlt. Ohne Lösungen, die in der Fachwelt durchaus auch kritisch gesehen werden, wird es nicht gehen.
#3
Sie befürworten also eine Öffnung der Kita auch für Quer- und Seiteneinsteiger?
Kirsten Fuchs-Rechlin: Die Personallücke ist ohne Quer- und Seiteneinsteiger nicht zu schließen. Für Fachkräfte aus fachlich affinen Berufen wie etwa Physiotherapeutinnen oder Logopäden haben viele Bundesländer die Kita schon geöffnet. Doch Quereinstiege sollten auch bei nicht einschlägiger beruflicher Vorqualifizierung möglich sein. Rheinland-Pfalz etwa arbeitet schon mit einer Quotierung: 70 Prozent des Personals müssen Erzieherinnen, Sozial- oder Kindheitspädagogen sein, 30 Prozent können entweder - wie Kinderpflegerinnen - eine berufsfachschulische Ausbildung haben oder dürfen fachfremd sein. Voraussetzung ist, dass die Qualifikation zum Profil der Einrichtung passt. Eine Natur-Kita könnte so zum Beispiel einen Gärtner einstellen.
#4
Bedeutet das nicht Qualitätsabstriche beim Personal?
Kirsten Fuchs-Rechlin: Nicht unbedingt. Quereinstiege müssen natürlich reguliert und durch Fortbildungen flankiert werden. Dafür braucht es, ähnlich wie bei Lehrern, klar formulierte Standards der Zusatzqualifikation. Der Vorteil einer Quotierung ist: Man sichert Standards, schafft aber Spielräume für multiprofessionelle Teams. So bleiben Träger und ihre Kitas handlungsfähig.
#5
Viele Kita-Fachkräfte kehren ihrem Beruf den Rücken. Sind bessere Arbeitsbedingungen der entscheidende Faktor, um Personal zu binden?
Kirsten Fuchs-Rechlin: Mehr Geld ist sicher ein Anreiz, aber für eine Abwanderung sind meist andere Gründe entscheidend: das Klima im Team, die hohe Arbeitsbelastung unter anderem durch Personalnot oder mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten. Die große Aufgabe des Arbeitsfelds sehe ich darin, mehr Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Gerade Hochschulabsolventen nehmen die Kita als berufliche Sackgasse wahr. Nur etwa sechs Prozent der Beschäftigten sind fachlich einschlägig qualifizierte Akademiker. Angesichts der Personalnot frage ich mich schon, weshalb der große Pool der pädagogischen Hochschulausbildungen komplett vernachlässigt wird. Warum nicht Studierende gezielt anwerben? Als Werkstudierende in Teilzeit könnten sie Kitas gut unterstützen.
Kirsten Fuchs-Rechlin leitet die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte am Deutschen Jugendinstitut (DJI)
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