Debatte über Lohnersatzleistungen : Linke will steuerfreies Kurzarbeitergeld
Die Linke will das Kurzarbeitergeld durch Aussetzung des Progressionsvorbehalts vorübergehend steuerfrei stellen.
Wer diesen Antrag abgibt, muss mit Post vom Finanzamt rechnen.
Die Linksfraktion ist mit einem Vorstoß, das Kurzarbeitergeld durch Aussetzung des Progressionsvorbehalts vorübergehend steuerfrei zu stellen, im Bundestag auf Ablehnung gestoßen. Zwar wird das Kurzarbeitergeld steuerfrei ausgezahlt, es erhöht jedoch den persönlichen Steuersatz, so dass häufig Steuernachforderungen anfallen. Ein Antrag der Linken, diesen Vorbehalt vorübergehend auszusetzen, wurde am Donnerstag vom Bundestag an den Finanzausschuss überwiesen.
Steuerbelastung beträgt mehrere Milliarden Euro
Die Probleme mit dem Progressionsvorbehalt griff Christian Görke (Linke) auf und ging auf die ohnehin schwierige Situation von Menschen in Kurzarbeit ein. "Das letzte, was man dann noch in dieser bescheidenen Situation bekommen kann, ist Post vom Finanzamt mit einer Nachzahlung." Görke schilderte den Fall einer Köchin, die 40.000 Euro verdient und wegen einiger Zeit in Kurzarbeit 5.000 Euro Kurzarbeit bezogen habe. Die Frau müsse 652 Euro Steuern nachzahlen, "die ganz schön wehtun können". Auch seien Hunderttausende von Kurzarbeitern zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Die Steuerbelastung durch den Progressionsvorbehalt bezifferte Görke auf 3,5 Milliarden Euro im Jahr.
Dagmar Andres (SPD) lehnte den Antrag ab, weil die Abschaffung des Progressionsvorbehalts zu neuen Ungerechtigkeiten führen würde. Denn warum solle jemand mit 40.000 Euro Verdienst und 5.000 Euro Kurzarbeitergeld genauso viel Steuern bezahlen wie jemand, der nur 40.000 Euro verdiene und keine Lohnerzsatzleistungen bezogen habe. "Was soll denn dagegen sprechen, dass eine höhere Leistungsfähigkeit höhere Steuern verursacht?", fragte Andres und verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das gegen den Progressionsvorbehalt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt habe.
Die Linksfraktion wolle den anerkannten Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit aushebeln, kritisierte Olav Gutting (CDU). Nur der Progressionsvorbehalt stelle die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit sicher.
Grüne: Aus "gefühlter Ungerechtigkeit" würde tatsächliche Ungerechtigkeit
Sascha Müller (Grüne), erklärte, emotional könne er das Anliegen der Linksfraktion nachvollziehen. Wenn dem Antrag folgen würde, würde man jedoch aus einer "gefühlten Ungerechtigkeit" eine tatsächliche Ungerechtigkeit machen, indem die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ausgehebelt werde.
Gerrit Huy (AfD-Fraktion) stimmte dem Vorstoß der Linken grundsätzlich zu, fragte jedoch andererseits, warum die Linke nicht bereits einem früher gestellten ähnlichen Antrag der AfD zugestimmt habe. Die Wirkung des Progressionsvorbehalts für die Betroffenen sei enorm. So seien von 12,6 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld im Jahr 2020 2,1 Milliarden wieder an den Fiskus zurückgeflossen. Ein Jahr später seien von 8,1 Milliarden Kurzarbeitergeld 1,4 Milliarden Euro an den Staat zurückgeflossen. "Das ist doch nicht fair", kritisierte Huy.
Auch wenn seine Fraktion die Aussetzung des Progressionsvorbehalts schon selbst geforderte habe, lehnte Markus Herbrand (FDP) den Linken-Antrag ab. "Gute Ideen verlieren ihre Wirkung, wenn sie zum falschen Zeitpunkt kommen", stellte Herbrand klar. 2020 habe der Antrag seiner Fraktion eine gute und nachvollziehbare Agenda gehabt. Damals wäre es eine große Unterstützung für die Menschen und eine Entlastung der Verwaltung gewesen. Jetzt im Jahr 2022 sei es zu spät, den Fehler der Großen Koalition zu beheben.