Wiederaufbau im Ahrtal : Bürokratie als größtes Hemmnis beim Wiederaufbau
Auch drei Jahre nach der Flut bremst die Bürokratie das Tempo bei der Schadensbeseitigung im Hochwassergebiet. Bei der Infrastruktur ist ein Qualitätssprung geplant.
Noch fährt kein Zug: Der Wiederaufbau der 2021 durch gewaltige Wassermassen zerstörten Bahnlinie im Ahrtal dauert an.
Die Bewohner im Ahrtal pflegen von einer "neuen Zeitrechnung" zu sprechen, die seit 2021 gilt: Die Zeit nach der Flut. Das Hochwasser war das größte Schadensereignis in der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. 135 Menschen verloren ihr Leben, die gigantischen Wassermassen verwüsteten innerhalb weniger Stunden das Ahrtal. Dabei wurden rund 200 Hektar Fläche überflutet, etwa 500 Gebäude von den Wassermassen mitgerissen und circa 3.000 Gebäude beschädigt. 60 Brücken wurden zerstört, über 150 Kilometer Verkehrswege beschädigt und die Bahnlinie ruiniert.
Experten: Maßnahmen könnten schneller erfolgen
Drei Jahre danach befassten sich im Bundestag der Ausschuss für Tourismus und der Bauausschuss mit dem Stand des Aufbaus im Ahrtal. Nach Ansicht mehrerer Experten könnten die Maßnahmen schneller erfolgen. So erklärte Christian Lindner von dem bei der Flut fast völlig zerstörten Privat-Hotel Villa Aurora im Tourismusausschuss, zwar sei der für das Ahrtal geschaffene Wiederaufbaufonds eine "großartige Geschichte". Beim Aufbau sei allerdings die Bürokratie die allergrößte Hürde.
Vertreter der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zogen im Bundestags-Bauausschuss eine positive Bilanz des Wiederaufbaus. 99,5 Prozent der vollständig vorgelegten Anträge zum Wiederaufbau kommunaler Infrastruktur seien inzwischen bewilligt, hieß es von Anne Vogelsberger (Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz). Bis zum 24. Juni 2024 seien von 1.304 vollständig vorgelegten Anträgen im Bereich des Wiederaufbaus der kommunalen Infrastruktur 1.297 Maßnahmen mit einem Volumen von rund 860 Millionen Euro bewilligt worden.
Felix Edlich (Finanzministerium Rheinland-Pfalz) berichtete, dass bis zum 24. Juni 2024 3.735 Anträge wegen Schäden an privaten Wohngebäuden vollständig vorgelegt worden seien. Davon seien 3.566 Anträge (95,5 Prozent) mit einem Volumen von 580,2 Millionen Euro bewilligt worden.
Mit dem Wiederaufbau erfahre die öffentliche Infrastruktur einen "Qualitätssprung", machte Vogelsberger klar. Gebäude wie Kindergärten würden nach heutigen und nicht nach früheren Standards aufgebaut, Brücken würden in einer an das Hochwasser- und Überschwemmungsrisiko angepassten Weise gebaut.
Wiederaufbau öffentlicher Infrastruktur nach heutigem Standard
Markus Becker (Büro für Ingenieur- und Tiefbau) nannte die Parallelität von Planung und Umsetzung, die Betreuung von Provisorien sowie die Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur eine "teure und störanfällige Mammutaufgabe". Er sprach sich für ein Beschleunigungsgesetz für den technischen Hochwasserschutz aus. Becker kritisierte die zu geringen personellen Ressourcen in den Verwaltungen.
Auch Martin Schell (Zukunft Mittelahr) sagte, während sich der private Aufbau in einem positiv-sichtbaren Zustand bewege, werde der kommunale Wiederaufbau gebremst. Die Tallage stelle die Kommunen vor große Herausforderungen. Daher müsse die Bauleitplanung vereinfacht werden. Die derzeitige Situation führe dazu, dass der Bau einer neuen Sportanlage außerhalb des Überschwemmungsgebietes erst 2026 beginnen könne. Dies stoße in der Bevölkerung und bei Sportvereinen auf sehr großes Unverständnis. Fast verzweifelt klang der Appell von Hotelier Lindner: "Sie dürfen uns nicht vergessen", forderte der Unternehmer die Politik auf.