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Experten fordern "Not-Aus" : Stromüberschuss sorgt für Probleme im Netz

Der Erfolg der Photovoltaik-Anlagen hat eine Schattenseite: Viele Anlagen liefern Strom, wenn er nicht gebraucht wird. Das sollte laut Experten geändert werden.

16.01.2025
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3 Min

Der Solarboom hält an. Deutschlandweit wurden im Jahr 2024 über eine Million Solarstromanlagen installiert. Eine gute Nachricht für die Energiewende. Doch die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik-Anlagen hat eine Schattenseite: Viele dieser kleinen dezentralen Anlagen liefern Strom gerade dann, wenn er nicht gebraucht wird - Stichwort Mittagsspitze. Dieser Überschuss sorgt für Probleme im Netz, dessen Frequenz stabil bleiben muss. Es drohen sogenannte Brownouts: Ganze Verteilnetzstränge und damit Endverbraucher müssten temporär von der Stromversorgung getrennt werden, um die Netzstabilität zu gewährleisten.

Foto: picture alliance/CHROMORANGE/Udo Herrmann

Alle wollen den Ausbau von Solarenergie in Deutschland. Das funktioniert auch. Manchmal sogar zu gut.

Das möchte die Bundesregierung vermeiden und hat daher einen Gesetzentwurf “zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen” vorgelegt. Bei einer Expertenanhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch fanden die darin enthaltenen Maßnahmen breite Zustimmung. Unisono wurde gefordert, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.

Wirksame Preissignale und Steuerungsmöglichkeiten

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Netzbetreibers 50Hertz Transmission GmbH, sagte während der Anhörung, Deutschland sei sehr stark bei der Systemstabilität und der Versorgungssicherheit, "auch bei kalter Dunkelflaute". Nicht so gut sei man beim Thema Flexibilität aufgestellt. "Wenn es beim PV-Ausbau so weitergeht, und wir nicht zusätzliche Maßnahmen bekommen, um steuernd einzugreifen, wird das in der Zukunft eine schwierigere Situation werden", sagte Kapferer. Die geplanten Maßnahmen seien dringend erforderlich. "Wir brauchen wirksame Preissignale und auch Steuerungsmöglichkeiten im System." Komme dies nicht, werde die nächste Bundesregierung im Frühjahr oder Sommer "mit Situationen konfrontiert sein, die wir uns alle nicht wünschen", warnte er.

Was Kapferer hier formulierte, brachte Andrees Gentzsch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), auf den Punkt: Keine Regierung wolle "Brownouts" oder Diskussionen darüber, ob das Netz stabil ist. Keine Regierung wolle den PV-Ausbau schwächen.

Die Energieversorgungsunternehmen unterstützten den Entwurf, sagte Gentzsch: Es seien alles "no regret-Regelungen" - also Dinge, "die wir ohnehin brauchen, unabhängig davon, wie die energiepolitischen Weichenstellungen der nächsten Bundesregierung aussehen".

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Andreas Kießling, Leiter Politik beim Energieanbieter Bayernwerk AG, sagte, lasse man den Zubau bei PV-Anlagen einfach so weiterlaufen, erhöhe man weiter die mittägliche Erzeugungsspitze, was zu erheblichen Herausforderungen für einen sicheren Netzbetrieb führe. Kießling forderte ein "Not-Aus" für Bestandsanlagen. Wichtig sei auch das Thema "Spitzenkappung" für Neuanlagen. Darin bestehe ein Anreiz für netzdienlichere Speicherung.

Nach Aussage von Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), geht von PV-Anlagen kurzfristig keine Beeinträchtigung für die Systemsicherheit aus. Wie im Gesetzentwurf vorgesehen sei jedoch sicherzustellen, "dass die Netzbetreiber die steuerbaren Anlagen im Notfall auch wirklich steuern". Bis das gewährleistet ist, könne kurzfristig eine zusätzliche Steuerbarkeit auch für kleinere Anlagen geschaffen werden, die auf vorhandener Technik wie Wechselrichtern und Energiemanagementsystemen aufbaut.

Zuschuss zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte

Thema der Anhörung war auch die von SPD und Grünen geplante Dämpfung der Übertragungsnetzentgelte. Grundsätzlich ein guter Gedanke, findet man beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). 2023 sei für die Stabilisierung der Netzentgelte ein Zuschuss von 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds gewährt worden, wodurch sie im Mittel bei 3,12 ct/kWh gelegen hätten.

Die jetzt vorgesehenen 1,32 Milliarden Euro für 2025 greifen aus Sicht des BDI allerdings deutlich zu kurz. Um wieder ein Niveau von etwa 3 ct/kWh zu erreichen, würden eher sechs bis sieben Milliarden Euro pro Jahr benötigt, rechnete BDI-Vertreter Carsten Rolle vor.